Bluttrinker (German Edition)
einem halben Jahr.
„Lukas“, begann sie eindringlich. „Wenn wir nicht
irgendetwas unternehmen, werden die meisten von uns morgen früh tot sein! Ich
weiß es. Ob du es glaubst oder nicht, ändert nichts am Ergebnis. – Ich kann auf
diese Weise nicht argumentieren! Ich hab nie versucht, zu erklären, was ich da
tue. Oder eine rationale Erklärung dafür zu finden. Alles, was ich weiß, ist,
dass ich noch nie so sicher war!
Bitte!
Ich meine, was würde es schaden, sich vorzubereiten? Ist der Gedanke, noch
jemand könnte diese Nacht für einen Angriff nutzen, denn so abwegig?“
Lukas seufzte. Seine Abwehr geriet ins Wanken.
„Du glaubst das wirklich, nicht wahr? Du glaubst, dass es heute Nacht hier zu
einem Kampf kommen wird?
Aber wenn es in deinen Karten zu sehen ist, dass wir sterben werden, was nützt
es dann, irgendetwas zu tun?“
„Ich weiß nur, dass die Zukunft nicht endgültig feststeht. Das tut sie nie. Man
kann sich immer anders entscheiden. Ich habe oft Leuten geraten die Initiative
zu ergreifen, aktiv zu werden, und ihre Zukunft hat sich verändert. Ich bin
sicher, dass wir auch etwas verändern können. Bitte, Lukas! Bitte!“
Er lehnte sich zurück und starrte eine Weile die kahle Steinwand in ihrem
Rücken an. Tony wusste, dass er ihr nicht wirklich glaubte. Aber er würde etwas
unternehmen, um ihre Angst zu besänftigen. Das musste eben genügen.
„Also gut. Aber kein Wort mehr über den Turm und den Teufel
oder was weiß ich nicht alles. - Ich dehne die Beobachtung der Umgebung aus und
treffe Vorbereitungen für die Waffenausgabe. Die Wächter werden mich zur Hölle
wünschen und sich bei Johann über mich beschweren.“
Tony lächelte traurig. „Danke! Ich wünschte, ich könnte glauben, dass ich
unrecht habe.“ Ihre Augen glitten erneut über das zwischen all der Technik
kreuzförmig auf der Tischplatte angeordnete Blatt. „Es ist noch Zeit. Der
Angriff wird um drei Uhr stattfinden.“
Die Kommandozentrale des Hauptquartiers war ein Ort, den
Lukas als Anwärter kaum betreten hatte. Von hier aus wurde Kontakt zu anderen
Jägergruppen hergestellt und im Einsatz befindliche Außenteams wurden
koordiniert. Jeremias Stimme drang aus einem der Lautsprecher.
„Alpha an Nest. Wir haben unser Zielgebiet fast erreicht. Nette Gegend hier,
besonders im Schnee.“
„Beta an Nest.“ Die Stimme gehörte Arne. „Wir haben unsere Vorbereitungen
beinahe abgeschlossen. Wir melden die Fertigstellung in ein paar Minuten.“
Lukas stellte sich vor, wie der hagere Holländer, mit dem
Rest der jüngeren Jäger, durch verschneite Gärten strich. Wo immer möglich
installierten sie mit Zeitzündern versehene Feuerwerksbatterien. Die Böller
sollten die Tarnung für unvermeidliche Schusswechsel liefern. Die Jäger
verließen sich in dieser Hinsicht nicht auf Zufälle. Zu diesem Sylvester würde
es im Dresdner Villenviertel ein Feuerwerk geben, wie es die Anwohner noch
nicht erlebt hatten.
„Wir haben unsere Position erreicht“, verkündete Minuten
später Jeremias. „Jörgen ist unterwegs!“
Jörgen gehörte zu Oles Leuten und galt als Technikspezialist seiner Truppe. Er
hatte die Aufgabe, die überraschend einfache Alarmanlage außer Betrieb zu
setzen. Offenbar verließen die Alten Götter sich lieber auf ihre mit den
Jahrhunderten gewachsenen Kräfte, als auf moderne Sicherheitstechnik.
„Wir sind fertig“, meldete sich im nächsten Moment Arne zurück. „Wir begeben
uns jetzt in Warteposition.“
Hinter Lukas öffnete sich die Tür der Kommandozentrale und
Jamal trat ein. Er ließ sich neben ihm in einen Bürosessel fallen.
„Was ist passiert?“, fragte der ebenholzschwarze Jäger beunruhigt.
„Arne hat klar gemeldet. Jeremias ist am Zielort. Jörgen macht sich grade über
die Alarmanlage her.“
Jamal schnaubte. „Das meine ich nicht. Was ist hier los?“
„Was soll sein?“
„Warum haben wir erhöhte Alarmbereitschaft?“
Als Lukas nicht sofort antwortete, drehte Charly sich mitsamt seinem Stuhl um.
„Unser gegenwärtiger Befehlshaber möchte gerne eine Abreibung von seinem alten
Herrn, wenn der zurückkommt!“
Der Wächter grinste. Er wirkte nicht ärgerlich, eher amüsiert.
„Kümmere dich um deine Arbeit“, fuhr Lukas den älteren Bluttrinker an. „Sonst
bin ich nicht der Einzige, dem eine Abreibung bevorsteht.“
Der Wächter feixte und wandte sich seinem Arbeitsplatz zu. Er steuerte die
versteckten Überwachungskameras rund um das Hauptquartier. Die zahlreichen, vor
seinem
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