Bluttrinker (German Edition)
hier aus konnte man die angeleuchteten
Silhouetten der Ruine Klarenfels und der Elisabethenkirche bewundern, der
Wahrzeichen Klarenbergs.
Die Bedienung schien nur auf sie gewartet zu haben. Nach
wenigen Minuten stand ein mit Früchten überladenes Obstsaftgemisch vor Tony.
Lukas hatte irgendetwas in einem undurchsichtigen Behältnis bestellt. Tony war
erleichtert. Offenbar hatte er nicht vor sie abzufüllen.
Die Nachtluft klärte ihren Kopf. Sie begann sich zu fragen,
was in aller Welt diese Sahneschnitte von einem Kerl eigentlich von ihrer
schmucklosen Unscheinbarkeit wollte. Allein auf dieser Terrasse entdeckte sie
auf Anhieb ein halbes Dutzend attraktive Frauen, die ihn mehr oder weniger
begehrlich beäugten. Je länger sie darüber nachdachte, umso stärker meldete
sich ihr Misstrauen. Außerdem war sie fassungslos über ihr eigenes Verhalten.
Hatte sie wirklich ihre Freundin beleidigt und stehen lassen? Das sah ihr
absolut nicht ähnlich.
Sich mit Lukas zu unterhalten war überraschend
unkompliziert. Sie sprachen über die Aussicht, das Kinoprogramm und die
Qualität der Cocktails. Tony hatte keine Begabung für Small Talk. In ihrem
Freundeskreis galt sie als zurückhaltend und neigte dazu anderen zuzuhören.
Lukas vermittelte ihr das Gefühl, dass ihre Meinung ihn tatsächlich
interessierte. Dennoch blieb sie auf der Hut. Die unterschwellige Ahnung,
irgendetwas sei nicht in Ordnung, lauerte am Rand ihres Bewusstseins und ließ
sich nicht vollständig vertreiben. Schließlich platzte die Frage aus ihr
heraus, die ihre Gedanken beschäftigte.
„Warum hast du ausgerechnet mich angesprochen?“
„Ist das nicht offensichtlich? Du gefällst mir. Ich möchte dich näher
kennenlernen.“
Unter Tonys ungläubigem Blick schüttelte er den Kopf.
„Ebenso gut könnte ich dich fragen, warum du mitgekommen bist.“
„Wahrscheinlich, weil du mich hypnotisiert hast.“
Eigentlich sagte sie das, um mit einem Scherz der Antwort
auszuweichen. Aber noch während sie sprach überkam sie ein sonderbar
unwirkliches Gefühl. Sie lachte nervös. Lukas lächelte nicht einmal.
Tony kämpfte mit ihrem Selbstverständnis. Sie hatte für Frauen, denen beim
bloßen Anblick eines knackigen Männerhinterns der Verstand abhandenkam, stets
nur Verachtung empfunden. Das Aussehen eines Mannes erschien ihr kaum von
Bedeutung, im Vergleich mit vielen anderen, wichtigeren Gesichtspunkten. Ein
Blick auf Lukas hatte genügt, alle Bedenken hinwegzufegen. Sie musste völlig
durchgedreht sein. Möglicherweise war irgendetwas mit ihren Hormonen nicht in
Ordnung?
„Du bist mitgekommen, weil ich dir gefalle. Und du gefällst mir. Das ist doch
ganz einfach.“ Er langte über den Tisch und legte seine Hand auf ihre. „Du
traust mir nicht.“
Tony spürte, wie seine Beine unter dem Tisch die ihren berührten. Das konnte
Zufall sein, er hatte sehr lange Beine und das Tischchen war ziemlich klein.
„Ich fühle mich nur nicht wohl, wie ich Julia abserviert habe.“
Lukas spielte mit ihren Fingern.
Ich lasse mich von ihm anfassen, als würde ich ihn schon ewig kennen. Ich
habe ihn doch grade erst getroffen , rügte Tony sich selbst.
Es fühlte sich so verdammt gut an, wie er ihre Hand streichelte und wie sich
sein Oberschenkel sachte an ihrem rieb. Das war kein Versehen, gestand sie sich
ein. Ein wohliges Feuer breitete sich in ihrem Unterleib aus.
Tony bekämpfte den plötzlichen Impuls aufzuspringen und wie
eine Idiotin davon zu laufen. Ich hätte nie mit ihm gehen dürfen , warf sie sich vor. Was sollte sie
machen, wenn sie ihn nicht mehr loswurde?
Wer will ihn loswerden?
„Tut mir leid, dass du meinetwegen den Film verpasst.“
„Ich hätte ihn ja ansehen können. Es war meine Entscheidung.“ Sie zerknautschte
ihren Strohhalm. „Eigentlich mag ich diese Actionfilme sowieso nicht.“
„Nein?“
„Ich mag die meisten neuen Filme nicht. Alles sieht aus wie ein Videospiel. Und
es wird auch keine richtige Spannung aufgebaut.“ Sie rang nach Worten, während
er sie interessiert anblickte.
„Ich weiß, was du meinst. Wenn jemand heute Psycho drehen würde, gäbe es in
dieser Dusche ein Gemetzel und man würde haarklein sehen, wie diese nackte Frau
zerstückelt wird. Trotzdem wäre es letztendlich nur Ekel, keine Spannung. Bei
Hitchcock gab es nur ein Messer. Man sieht überhaupt nichts. Die Atmosphäre und
die eigene Fantasie lassen die Spannung entstehen.“
„Ja, das ist genau meine Meinung!“ Sie blinzelte überrascht. „Magst
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