Bluttrinker (German Edition)
Lage irgendjemandem zu erklären, was sie hier tat.
Inzwischen hatte sie alle Filme gesehen, die sie sich auch
nur halbwegs zumuten wollte. Ratlos stand sie neben der Schlange vor der
Kinokasse. Am Tag zuvor hatte sie sich nach einer halben Stunde aus dem Kino
geschlichen, so mies war der Streifen gewesen. Aber ohne Karte konnte sie die
Lobby nicht betreten.
Sie würde sich heute nur so lange aufhalten, bis der Film anfing und wieder
gehen. Wenn er sich nicht im Vorraum blicken ließ, würde sie ihn auch im
Kinosaal nicht finden. Weshalb ihre Zeit mit schlechten Filmen verschwenden?
Er hatte ihr gesagt, sie solle ihn Lukas nennen, daran
erinnerte sie sich deutlich. Seine Stimme war so dunkel und weich gewesen,
hatte sie gestreichelt, wie seine Hände es taten. Sie erinnerte sich an
Erregung, an einen kurzen, scharfen Schmerz und das Gefühl der Wundheit, das
schnell verblasste, angesichts von Freude und Lust.
Dann geschah etwas völlig Unvorstellbares.
Seine Eckzähne verlängerten sich und wurden spitzer, an den Enden beinahe wie
Injektionsnadeln. Er drückte seinen Mund auf ihren Hals. Sie erinnerte sich an
keinen Schmerz, aber umso deutlicher daran, wie diese Zähne in ihre Kehle
drangen und Lukas in tiefen Zügen Blut aus den Wunden saugte.
Tony hatte den Sex mit ihrem ersten Liebhaber genossen. Doch
die Gefühle, als Lukas von ihr trank, waren unbeschreiblich gewesen. Wenn sie
nur daran dachte, zogen sich all die neu entdeckten Muskeln in ihrem Unterleib
sehnsüchtig zusammen. Blut schoss ihr in die Wangen und die feinen Härchen an
ihrem Körper richteten sich auf.
Nichts schien daran etwas ändern zu können. Weder ihr
gesunder Menschenverstand, der ihr klarzumachen versuchte, dass sie entweder
geträumt hatte oder unter Drogen gestanden haben musste, noch ihre
Verletztheit, weil der Mann, mit dem sie diesen unglaublichen Genuss geteilt
hatte, wenige Minuten nach diesem aufwühlenden Erlebnis einfach verschwand.
Lukas hatte ihr die Hand auf die Stirn gelegt und sie konnte
seine Stimme hören, ohne dass er die Lippen bewegte. Schlaf, flüsterte er ihr ein. Schlaf, bis es deine übliche Zeit ist
aufzuwachen. Wenn du aufwachst, wirst du mich vergessen haben. Wenn du mich
siehst, bin ich ein Fremder für dich. Tony erinnerte sich an ein sonderbares Summen in ihrem Kopf, das es ihr
unmöglich machte, auf diese befremdliche Erfahrung zu reagieren. Sie lag
einfach nur da, mit halb geschlossenen Augen, und sah zu, wie Lukas aufstand,
sich anzog, sorgfältig eine Decke über sie breitete und die Wohnung verließ.
Beinahe wäre sie tatsächlich eingeschlafen, kurz nachdem die Wohnungstür ins
Schloss gefallen war.
Irgendetwas rumorte in ihrem Verstand und versuchte ihre
Aufmerksamkeit zu erringen, wollte ihr klarmachen, dass etwas ganz und gar
nicht stimmte. Nach Minuten verflüchtigte sich ihre Benommenheit so plötzlich,
als schrecke sie aus einem Traum hoch.
Tony sprang mit einem unterdrückten Schrei auf, schlang die Arme um sich und
starrte den schmierigen Blutfleck auf dem Bezug ihres Sofas an. Sie fühlte sich
wund und klebrig.
Ungläubig betastete sie ihre Kehle, eilte ins Badezimmer, schaltete das Licht
ein und versuchte, ihren Hals möglichst nah an den Spiegel über dem Waschbecken
zu bekommen. Da waren zwei kleine, blass rote Male, sie war sich sicher.
Hastig kramte sie nach einem vergrößernden Schminkspiegel.
Sie richtete die Spiegelfläche auf ihren Hals, um staunend zuzusehen, wie die
Flecke immer kleiner und heller wurden, um nach wenigen Minuten komplett zu
verschwinden. Zurück blieben ihre Erinnerung und ihre aufgewühlten Gefühle.
Natürlich gab es vernünftige Erklärungen für das, was ihr
widerfahren war. Er musste ihr irgendetwas in ihren Cocktail getan haben,
irgendeine Droge. Das würde auch erklären, warum er ihr so unglaublich
begehrenswert vorkam, dass sie die Zurückhaltung und Vorsicht eines ganzen
Lebens einfach über Bord warf.
Sie könnte schwanger sein!
Er könnte sie mit Aids infiziert haben!
Sie sollte zur Polizei gehen und Anzeige erstatten, schon um anderen Frauen
solche Ängste zu ersparen. Und zum Arzt musste sie gehen.
Tony lief im Kreis um ihren improvisierten Couchtisch.
Plötzlich fühlte sie sich beschmutzt und eilte unter die Dusche, wo sie sich
fast die Haut vom Körper schrubbte. Kaum abgetrocknet kam sie sich bedroht und
schutzlos vor. Sie schlüpfte in einen Jogginganzug, der für die Wärme in ihrer
kleinen Wohnung viel zu dick war.
Irgendwann drängten
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