Bluttrinker (German Edition)
eine schwarze Jeans und ein dunkles T-Shirt aus einer Kommode.
„Soll ich daraus schließen, dass sie nicht kooperieren wird?“
Lukas zuckte resigniert die Schultern, was Johann mit einem Kopfschütteln
quittierte.
„Hat sie verstanden, dass sie Schaden nehmen könnte, wenn wir sie unter Drogen
setzen müssen?“ Er stieg in die Jeans und ließ sich auf der Bettkante nieder,
um seine Socken anzuziehen.
„Das beeindruckt sie nicht sonderlich. Zwar hat sie mitbekommen, dass sie etwas
von mir empfangen kann. Aber sie weigert sich im Grunde immer noch, an
Telepathie zu glauben. Ich schätze, uns fehlt die Zeit, sie von den Vorzügen
telepathischer Fähigkeiten zu überzeugen.“
Johann lehnte sich an das geschnitzte Kopfende und hob die
Füße aufs Bett, damit er Lukas bequemer ansehen konnte.
„Sie hat sich bereits die ganze Woche über ungewöhnlich verhalten und jetzt ist
sie seit beinahe zwanzig Stunden verschwunden. Wir können die Sache nicht mehr
lange hinauszögern. Es wäre äußerst unangenehm, die Hilfe von Kollegen in
Anspruch nehmen zu müssen.“
Lukas verzog das Gesicht.
„Je schneller wir ihre Erinnerung löschen, desto besser für alle Beteiligten. -
Also gut, Lukas. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als das Risiko einzugehen.
Ich bereite die Medikamente vor. Wenn ihre Schirme sich aufgelöst haben, wird
es deine Aufgabe sein, ihr Gedächtnis zu überarbeiten. Daraus ist mittlerweile
eine komplexe Sache geworden. Das ist eine gute Übung für dich.“
Lukas nickte entschlossen. „Wann können wir anfangen?“
„Solltest du“, mischte Nora sich ein, „nicht zuerst deinen
Hunger stillen, bevor du so eine anspruchsvolle Aufgabe in Angriff nimmst?“ Mit
einer dampfenden Milchkaffeetasse in der Hand lehnte sie in der Tür.
„Wenn diese verdammte Barriere weg ist, erwarte ich keine großen
Schwierigkeiten.“
„Trotzdem hat deine Mutter recht“, stimmte Johann seiner Frau zu. „Es wird bald
dunkel. Sobald du zurück bist, können wir anfangen.“
Lukas nickte, schenkte seiner Mutter ein kurzes Lächeln und verließ das
Schlafzimmer.
Nora schloss die Tür hinter ihrem Sohn, bevor sie sich neben
Johann auf das Bett setzte. Ihr Gefährte legte den Arm um sie. „Ich bin ganz
Ohr, Nora.“
„Wie kommst du darauf, dass ich etwas zu sagen habe?“
„Dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer ist, dass du zu den meisten Dingen
etwas zu sagen hast. Und sogar ein Macho wie ich begreift irgendwann, dass ich
oft ganz gut gefahren bin, wenn ich auf dich gehört habe. Außerdem hast du
diesen Alle-Männer-sind-Idioten-Blick.“
„So weit würde ich nicht gehen“, schmunzelte Nora. „Schließlich habe ich mir
keinen Idioten zum Gefährten ausgesucht. Allerdings erinnere ich mich, dass du
dich recht schwer getan hast, damals, als wir uns kennenlernten. Und daran hat
sich leider in den letzten hundertachtzig Jahren nichts geändert. In Gefühlsdingen
bist du einfach ein bisschen schwerfällig.“ Nora nahm ihren Worten die Schärfe,
indem sie Johann auf die Nasenspitze küsste. „Und Lukas ist nicht besser als
du. Er hat diese frustrierende Neigung, jede Gefühlsregung als Schwäche
anzusehen. Ich vermute, du erinnerst dich nicht mehr daran, wie es war, als ich
damals mit dir durchgebrannt bin?“
„Natürlich erinnere ich mich“, widersprach Johann entrüstet. „Ich erinnere mich
an jede Sekunde, als wäre es gestern gewesen. Aber da ich nur ein
schwerfälliger Mann bin, fürchte ich, du musst ein wenig deutlicher werden. Ich
habe im Moment nicht die geringste Ahnung, wovon du redest. Ich dachte, du
wolltest mit mir über dieses Mädchen sprechen.“ Johann deutete auf den
Fußboden, in Richtung Keller.
„Das tue ich“, beteuerte Nora. „Meine Eltern hätten niemals zugestimmt, dass
ich einen Wildfremden heirate. Mein Vater hatte sich einen Geschäftsfreund als
Schwiegersohn ausgesucht. Ich war neunzehn und dieser Mann mehr als doppelt so
alt. Kaum jünger als er selbst. Ich kann es ihm nicht mal wirklich übel nehmen.
Er hätte sich nicht im Traum vorgestellt, dass seine sorgfältig behütete
Tochter noch andere Bedürfnisse haben könnte, als den Luxus und die
Bequemlichkeit, die Geld mit sich bringt.
Nicht, dass du damals arm gewesen wärst. Aber meine Familie wusste nichts über
dich. Du gehörtest nicht zu der guten Gesellschaft, die sie kannten.“
Johann machte es sich auf dem Bett bequem. Er kannte Nora
lange genug, um zu wissen, dass er diese Angelegenheit nicht beschleunigen
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