Bluttrinker (German Edition)
konnte.
Jeder Versuch, seine Frau zur Sachlichkeit zu drängen, würde nur weitere
verbale Ausschweifungen nach sich ziehen. Also wappnete er sich mit Geduld und
ging auf ihre Geschichte ein.
„Dein Vater hatte bessere Gründe, sich wegen deines Umgangs
mit mir Sorgen zu machen, als er wusste. Er hatte absolut recht mir zu
misstrauen. Ich war eine Gefahr. Für deine Zukunft, deine soziale Stellung und
sogar für dein Leben.“
Nora lachte. „Wenn ich dich nicht getroffen hätte, wäre ich seit über hundert
Jahren tot und begraben.“
„Du hättest dein Leben völlig anders verbracht.“
Nora seufzte. „Ganz bestimmt! Ich hätte ein eintöniges, behütetes Dasein
geführt, umgeben von in Konventionen erstarrten Menschen. Ich hätte
langweiligen Sex mit einem viel zu alten Mann gehabt und miterlebt, wie meine
Kinder in irgendwelchen idiotischen Kriegen fallen.“
Johann wollte widersprechen, doch Nora kam ihm zuvor.
„Ich weiß, ich hätte auch ein erfülltes Leben als sterblicher Mensch haben
können. Aber nicht mehr, nachdem ich dir begegnet war. Das weißt du auch. Es
war meine Bestimmung, von dem Moment an, als wir uns trafen. Und weil ich
dieses Gefühl kenne,“ sie legte ein besonderes Gewicht in diese Worte, „bin ich
in der Lage Andere zu erkennen, die ähnlich fühlen wie ich damals.“
Johann blickte sie fragend an.
„Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses Mädchen, diese Tony, dazu bestimmt
ist, Lukas Gefährtin zu sein.“
„Nora …“ Er rang nach Worten. „das war alles so ganz anders.“
„Nein, das war es eben nicht! Dieses Mädchen ist in Lukas verliebt.“
„Hat sie das gesagt?“
„Nein, natürlich nicht. Sie glaubt, dass Lukas sie nur benutzt hat. Sie würde
es niemals zugeben.“
„Du kannst ihre Gedanken ebenso wenig erreichen wie wir, nicht wahr? Du kannst
nicht wissen ...“
„Ich bin eine Frau, Johann“, erklärte Nora würdevoll. „Eine Frau spürt so
etwas.“
Johann ließ sich auf das Bett zurückfallen. „Ich hätte wetten sollen. Ich
wusste, dass du das sagen würdest.“
Nora kicherte. Sie legte sich neben ihn und schmiegte sich in seine Armbeuge.
„Du Ärmster. Die Unvernunft deiner Frau wird dich noch zur Verzweiflung
treiben.“
Johann zog sie an sich, während er mit einem schiefen Grinsen antwortete: „Du
unterschätzt dich. Ich bin schon so verzweifelt, dass ich bereit bin, in
Erwägung zu ziehen, dass du recht haben könntest. Aber ich bin erstaunt. Ich
hätte nicht geglaubt, dass Lukas daran denkt, sich so früh zu binden. Wann hast
du mit ihm darüber gesprochen?“
„Gar nicht. Als würde Lukas über Gefühle reden.“
Ihr Gefährte starrte sie ungläubig an.
„Ich weiß, was du sagen willst. Aber ich kenne meinen Jungen. Glaub mir, Lukas
ist auch verliebt. Und er will es genauso wenig zugeben wie sie. Ich werde
nicht zulassen, dass die beiden aneinander vorbei laufen, nur weil sie zu stolz
sind!“
„Nehmen wir nur mal an, du hättest Recht, mit deiner Vermutung. Was sollen wir
dann tun? Ich bezweifle, dass eine längere Gefangenschaft in unserem Keller dem
Verhältnis, zwischen dieser Frau und Lukas besonders zuträglich ist.“
„Ich denke nicht, dass wir viel tun müssen. Manchmal ist es besser, nichts zu
tun und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Das ist eigentlich ganz einfach, es
liegt dir nur nicht. Deshalb kommt es dir so schwer vor.“
„Wir alle kommen in Teufels Küche, wenn wir den Dingen ihren Lauf lassen!“
Nora konnte das nicht gelten lassen. Sie entzog sich Johanns Umarmung und
setzte sich auf.
„Bisher hast du noch nicht einmal mit Tony gesprochen. Ich habe dich damals
schließlich auch nicht verraten. Und du hast mir vertraut, obwohl du meine
Gedanken nicht lesen konntest.“
Johann schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, Nora! Die Situation lag ein
wenig anders. Wenn du dein Versprechen nicht gehalten hättest, hatte ich die
Möglichkeit, mich aus dem Staub zu machen. Ich hatte den Eindruck, dir gefällt
dieses Haus und du willst noch eine Weile hier leben. Wenn wir diese Sterbliche
einfach auf ihr Wort hin gehen lassen, sollten wir besser schon mal die Koffer
packen.
Außerdem, alles, was recht ist: Ich habe keine Lust, meinen Leuten zu erklären,
dass wir deiner weiblichen Intuition gefolgt sind, wenn ich sie um Hilfe beim
Aufräumen bitten muss.“
Nora rollte mit den Augen. Sie sprang aus dem Bett und begann ungehalten auf
und ab zu marschieren. Die zarte Spitze ihres Negligés bauschte sich um ihre
Beine.
„Es tut mir
Weitere Kostenlose Bücher