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Bluttrinker (German Edition)

Bluttrinker (German Edition)

Titel: Bluttrinker (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Bender
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leid, Nora!“
Johann setzte sich auf und beobachtete seine Frau. Es fiel ihr oft nicht
leicht, sich vernunftgemäßen Argumenten zu beugen. Besonders wenn sie im
Widerspruch zu ihren Gefühlen standen.
„Ich kann verstehen, dass du die Vorstellung, Lukas könnte seine Gefährtin
gefunden haben, nicht gerne aufgeben möchtest. Ich weiß schließlich am besten,
wie schwierig es oft für ihn ist. Aber wir werden uns damit abfinden müssen.“
Unvermittelt blieb Nora stehen. Sie schlug sich mit der Hand an die Stirn, als
ginge ihr urplötzlich etwas Naheliegendes auf und grinste Johann herausfordernd
an.
„Ich denke ja gar nicht daran!“

15
    An einem stilvoll mit Meißner Porzellan gedeckten Tisch saß
Tony Lukas Mutter gegenüber und betrachtete die gediegenen Möbel, die sie
umgaben. Trotz der Antiquitäten wirkte der Raum luftig und hell, obwohl der
Garten hinter den hohen Fenstertüren stockfinster war.
Wäre sie weniger abgelenkt gewesen, hätte Tony vielleicht bemerkt, dass sich in
ihrer Tasse bereits einige wasserhelle Tropfen befanden, bevor Nora den Earl
Grey eingoss. Aber sie war durstig und trank die erste Tasse schnell.
„Der Tee ist fantastisch“, lobte sie artig.
    Glücklicherweise übernahm Nora das Reden. Es gelang Tony
kaum, genug Konzentration aufzubringen, um ihrer Anekdote über die Jugend in der
Biedermeierzeit zu folgen.
Unter anderen Umständen hätte sie die Geschichte gewiss amüsant und
faszinierend gefunden. Doch ihre Gedanken sprangen umher wie Hasen.
    Nora hatte ein Tablett mit Schnittchen aufgetischt und Tony
langte hungrig zu. Sie hatte schon zwei davon verdrückt, bevor ihr wieder
einfiel, was Lukas von irgendeiner Droge erzählt hatte. Aber Nora sprach Tee
und Brötchen ebenfalls zu.
Tony fühlte sich nicht mehr unmittelbar bedroht. Sie begann zu glauben, dass
diese merkwürdigen Leute ihr keinen Schaden zufügen wollten.
Aber was stand ihr sonst bevor?
Die Vorstellung, jemand könnte - womöglich ohne dass sie es bemerkte - in ihrem
Kopf herumwühlen war ein ganz eigener Schrecken. Überhaupt: Wo steckte Lukas?
    Die Erinnerung an seinen Durst ließ sie nicht los.
Unbehaglich stellte sie sich vor, wie er sich einer fremden Frau näherte. In
Tonys Fantasie hatte diese Fremde all das zu bieten, was sie an sich selbst
bemängelte.
Sie sah eine üppig weibliche Figur vor sich und langes Haar. Gewiss war sie eine
erfahrene Geliebte, die wusste, wie frau einen Mann verwöhnte.
Unbändige Wut auf diese fiktive Person beschleunigte ihren Herzschlag und legte
sich als bedrückender Ring um ihre Brust.
Beinahe hätte sie Nora nach ihrem Sohn gefragt. Im letzten Moment riss Tony
sich zusammen, zwang ihre Gedanken in eine andere Richtung. Nora musste ihre
Aufregung dennoch bemerken. Sie spürte ihre forschenden Blicke.
     
    Nebenan in der Bibliothek starrte Lukas aus der Fenstertür,
hinaus in den nachtdunklen Garten. Gegen Abend war es schwül geworden und die
ersten Böen eines heraufziehenden Gewitters rüttelten am Laub einer alten
Kastanie.
Johann saß entspannt in einem Ohrensessel und las die Abendzeitung. Die beiden
starken Telepathen würden es spüren, wenn die Droge Tonys Abwehr
neutralisierte. Dann bestand die Möglichkeit, ihre Erinnerung zu verändern.
Aber vielleicht würde das nicht nötig sein.
Wenn aus Tonys Gedanken klar hervorging, dass sie nicht beabsichtigte, über
ihre Erlebnisse zu sprechen, hatte Johann sich bereit erklärt, den Dingen ihren
Lauf zu lassen, wie Nora sich ausdrückte.
Sobald die Droge ihre Wirkung tat, lag es an Lukas, zu beurteilen, ob sie Tony
vertrauen konnten oder nicht. Nora hatte ihren Mann überzeugt, wie wichtig es
war, ihn diese Entscheidung selbst treffen zu lassen.
Wenn Tony die Absicht hatte, die Ereignisse der letzten Tage auszuplaudern, gab
es keine Wahl. Lukas würde ihre Erinnerung an ihn endgültig löschen müssen.
Er könnte es Johann überlassen. Aber dazu müsste er seinem Vater eingestehen,
wie sehr diese Frau ihm unter die Haut ging. Eine Sterbliche, die seine Gefühle
nicht erwiderte.
Der Gedanke schmerzte, irgendwo tief in seiner Brust.
Aber es gab noch mehr Szenarien, die ihm zu schaffen machten.
Was, wenn sie ihn schlicht nicht ausstehen konnte?
Nicht jeder Mensch war für die Anziehungskraft der Bluttrinker empfänglich.
Seines Aussehens und seiner sexuellen Ausstrahlung zum Trotz begegnete er immer
wieder Frauen, die ihn nur als arroganten Arsch wahrnahmen. Manche Menschen
empfanden ihn sogar als bedrohlich, reagierten auf

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