Bluttrinker (German Edition)
deine Eltern können doch meine Gedanken lesen?“
„Niemand kann deine Gedanken lesen. Aber selbst der stärkste Telepath kann sehr
intensive Gefühle nicht immer vollständig verbergen.“
„Oh!“ Tony errötete bis zu den Haarwurzeln. „Das heißt wahrscheinlich, deine
Eltern bekommen es mit, wenn wir ...“
Lukas grinste selbstgefällig. „Dafür braucht es keine Telepathie. Du bist ganz
schön laut.“
„Na großartig. Und damit soll ich jetzt deiner Mutter gegenübertreten?“
„Sei nicht albern. Was glaubst du, was meine Eltern denken, was wir machen,
wenn du hier bist? Mensch ärgere dich nicht spielen? Nora würde nur glauben,
dass du sie nicht leiden kannst, wenn du ihr nicht Gesellschaft leisten willst.
Und dir knurrt der Magen. Ich werde auch aufstehen. Ich muss meine E-Mails
abrufen und noch ein paar Sachen erledigen.“
Nora stellte eine Tasse Milchkaffee vor Tony auf den
Küchentisch. Durch die geöffneten Jalousien fiel die strahlende Morgensonne in
den hellgelb und eierschalenfarben gehaltenen Raum. Mitten auf dem Tisch stand
ein frischer Blumenstrauß. Der Gesang der Vögel drang durch die weit
offenstehende Terrassentür herein.
Nora setzte sich mit ihrer eigenen Tasse Tony gegenüber.
„Womit fangen wir an?“
Tony sah von ihrer Müslischale auf. „Womit?“
„Einkaufen!“
„Oh! Entschuldige Nora.“
Dunkel erinnerte sie sich an ein Gespräch vom vergangenen Abend. Sie hatte
tatsächlich zugestimmt, Nora zu begleiten. Sie hatte nur nicht damit gerechnet,
dass Lukas Mutter sie am frühen Morgen aus dem Bett werfen würde.
„Natürlich, wir gehen shoppen.“ Noras stets exklusive Garderobe war Tony
keineswegs entgangen. „Du hast sicher ein paar Lieblingsboutiquen.“
„Genau gesagt, eine ganz bestimmte. In Frankfurt. Sie gehört einer Freundin,
ebenfalls eine Gefährtin. Wäre es dir recht, wenn wir dort zuerst hingehen?
Solange es noch ruhiger zugeht. Anthea sollte sich Zeit für uns nehmen können.
Schließlich müssen wir etwas besonders Aufregendes für dich finden.“
Tony hatte plötzlich keinen Appetit mehr. „Nora, nein, ich brauche wirklich
nichts.“
„Hast du eure Verabredung mit Lukas Freunden heute Nacht etwa vergessen?“
„Nein, natürlich nicht. Aber ich brauche nichts Neues.“
„Tony“, Nora machte ein ungewohnt strenges Gesicht, „ich kenne dich jetzt seit
gut drei Wochen. In dieser Zeit habe ich dich noch nie in etwas anderem, als
fadenscheinigen Jeans und verwaschenen T-Shirts gesehen. Ich weiß, dass
löchrige Kleidungsstücke heutzutage als modern gelten. Aber ich will verdammt
sein, wenn ich dich in diesem Aufzug zu Etienne gehen lasse.“
Tony seufzte. Es half nichts. Sie musste Nora die Wahrheit sagen.
„Ich kann mir nichts zum Anziehen kaufen. Ich bin vollkommen pleite. Im
Augenblick kann ich von Glück reden, wenn ich meine Miete zusammenbekomme.
Siehst du, ich hatte vor, diesen Sommer im Pub zu jobben. Aber dann müsste ich
praktisch die ganze Nacht arbeiten und würde Lukas nie zu sehen bekommen. Es
ist so schon schwierig. In meinem Appartement kann er tagsüber nicht bleiben,
weil man die Fenster nicht richtig verdunkeln kann. Aber ich kann doch nicht
ständig euch zur Last fallen. Das gehört sich einfach nicht.
Jedenfalls – ich habe kein Geld um irgendwas zu kaufen. Und, nimm es mir nicht
übel, Nora, selbst wenn ich arbeiten würde, könnte ich mir wohl kaum etwas von
den Sachen leisten, wie du sie trägst.“
Nora langte lächelnd über den Tisch und tätschelte Tonys
Hand. Die Geste verfehlte allerdings die beabsichtigte, beruhigende Wirkung.
Und tatsächlich kam es, wie Tony befürchtet hatte.
„Schätzchen, ich stamme vielleicht aus einer lange vergangenen Zeit, aber so
weltfremd bin ich nicht, dass ich glauben würde, eine Studentin könnte sich
Antheas Boutique leisten. Selbstverständlich werde ich die Rechnung übernehmen.“
„Nein! Nora, das geht nicht. Das kann ich nicht annehmen.“
„Es ist mir wichtig, Tony. Und dir sollte es das auch sein. Bei Etienne wird es
von ausgesucht hübschen, sexy zurechtgemachten Mädchen wimmeln. Meine Aufgabe
ist es, dafür zu sorgen, dass du dich hinter keiner von ihnen zu verstecken
brauchst.“
Antheas Boutique befand sich in Frankfurt in hervorragender
Lage und erwies sich als genauso exklusiv und teuer, wie Tony befürchtet hatte.
Es hielten sich nur wenige Kunden im Laden auf. Den hinteren, durch Regale
abgeteilten Bereich hatten Nora und Tony für sich allein. Anthea,
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