Bluttrinker (German Edition)
Oberkiefer
durchbrach seine lustvolle Trance. Behutsam griff Lukas nach Sinas Bewusstsein.
Er wollte, dass sie sich an den Genuss erinnerte. Den Bluttrinker durfte er sie
nicht sehen lassen. Er beugte sich über ihren Hals. Seine Fänge durchschlugen
zarte Haut, fanden die pulsierende Ader. Der erste Schwall Blut füllte seinen
Mund und Sinas Geschmack enttäuschte ihn nicht. Warm und frisch und würzig, das
Blut eines gesunden, jungen Menschen. Er grunzte vor Genuss, während die
köstliche Flüssigkeit seine Kehle hinunterlief. Er stieß tiefer in ihren
zuckenden Leib. Sinas Schoss zog sich zusammen, umklammerte ihn. Sie schrie
heiser auf, als er sich in sie ergoss.
Lukas wartete, bis sie aufhörte zu zappeln und sich zu
winden, bevor er seine Reißzähne aus ihrer Ader löste. Sorgfältig leckte er
über die beiden Einstiche. Schon in wenigen Minuten würden sie vollständig
verheilt sein.
04
Lukas rollte von seiner erschöpften Blutwirtin herunter,
setzte sich auf und begegnete Jans Blick.
Jan stand hinter dem Tresen und kramte in den CDs herum. Erst jetzt fiel Lukas
auf, dass die Musik verstummt war. Jan grinste, ohne eine Spur Verlegenheit.
„Hast du einen speziellen Wunsch?“
Lukas schüttelte den Kopf. „Nein, mach nur.“
Er wusste, Jan hatte eine Schwäche für alte Rocksongs und tatsächlich klangen
die ersten Takte einer Rockballade aus den Lautsprechern.
Hinter Lukas zog Sina ihre Bluse um sich und angelte, noch immer benommen, nach
ihrem Glas, das neben dem Sofa auf dem Fußboden stand. Lukas hob es auf, bevor
sie es erreichte.
„Könntest du einen frischen Drink mixen, mit weniger Alk?“
Jan nahm das abgestandene Getränk lächelnd entgegen.
Lukas war der Zweite in der Rangordnung und Jan das Schlusslicht. Dass Lukas ihn
fragte, war reine Höflichkeit. Die meisten ihrer Gruppe kommandierten ihn
einfach herum. Nachdenklich sah Lukas zu, wie Jan eine annehmbare Menge Cognac
in ein Glas mit Cola schüttete.
Jan war der Kleinste von ihnen, aber kräftig gebaut. Seine
telepathische Begabung hielt sich in Grenzen. Trotzdem wollte Lukas nie so
recht einleuchten, dass er tatsächlich der Schwächste sein sollte. Manchmal
gewann Lukas den Eindruck, dass Jan sich bewusst zurückhielt. Verstehen konnte
er das nicht. Peter war eine feige Ratte. Ihm untergeben zu sein hätte Lukas
wahnsinnig gemacht.
„Wohl bekomm´s!“ Jan reichte Sina ihr Getränk und verzog
sich, mit der Kiste voller CDs, ans andere Ende des Tresens und aus Lukas
Sichtfeld.
Sina nippte an ihrem Glas. Sie beobachtete Lukas über den
Rand hinweg. Er brauchte ihre Gedanken nicht zu erforschen, um zu ahnen, was
sie beschäftigte. Sie war hin und her gerissen, zwischen ihrem Genuss und der
Scham über das, was hier vor sich ging. Die langsamere Musik war nicht
geeignet, alle Geräusche zu übertönen, nicht einmal für sterbliche Ohren.
Ein Pärchen wurde deutlich lauter. Das Keuchen eines Mannes
und die spitzen Schreie einer Frau. Nicht, dass er es darauf anlegte, aber als
Telepath blieb ihm keine Wahl. Lukas erkannte Etienne und seine dunkelhaarige
Bewunderin.
Sinas Verlegenheit brachte ihn zum Lächeln. Er beugte sich vor, um in ihr Ohr
zu flüstern, dass alles in Ordnung war - als beißender Schmerz durch seine
Nervenbahnen zuckte.
Unwillkürlich krümmte er sich zusammen. Es dauerte einen Augenblick, bis sein
Verstand begriff, dass die Qual nicht in seinem Körper stattfand, sondern von
außerhalb in seinen Geist eindrang. Die Quelle der Schmerzen war unschwer
auszumachen: Peters Blutwirtin.
Lukas bekam seinen Atemrhythmus und seine Muskeln unter
Kontrolle und spähte über die Sofalehne. Das Erste, was er sah, war Etiennes
Profil.
„Ich hoffe wirklich, dass du besoffen bist, du Arschloch! Wenn das Absicht
wäre, müsste ich dir deine Eier verfüttern!“
Es gehörte etwas dazu, Etienne ernsthaft in Rage zu versetzen. Ihn kurz vorm
Orgasmus beim Sex zu stören fiel eindeutig in diese Kategorie.
Peters Stimme antwortete. „Was regst du dich auf? Kümmer dich um deinen Kram.“
„Ist dir nach ´ner Tracht Prügel oder was?“
Joshua mischte sich ein: „Leute, schaltet ´nen Gang zurück, ja!“
Etienne fluchte in französischer Sprache. Lukas hörte, wie
er dem dunkelhaarigen Mädchen ins Ohr flüsterte und das Rascheln von Stoff, als
er es sich mit ihr wieder bequem machte. Er selbst ließ sich in die klumpigen
Polster des Sofas zurücksinken. Sein Pulsschlag beruhigte sich nur langsam.
Was für ihn eine Qual gewesen war, und
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