Bluttrinker (German Edition)
Dabei fühlte sie sich in Begleitung ihrer Freundinnen
sicher. Dass die anderen Frauen Huren waren, kam ihr nicht in den Sinn. In der
sorgfältig angelegten Hypnose erkannte Lukas Etiennes Handschrift. Der Franzose
blieb im Eingang stehen, um sich lässig eine Selbstgedrehte anzuzünden.
Die Südländerin folgte ihrer Freundin zur Theke. Sie glaubte wohl, Etienne
unauffällig im Auge zu behalten. Der Franzose quittierte die Aufmerksamkeit mit
einem feinen Lächeln.
Er ging einen Schritt zur Seite, um eine magere Brünette einzulassen, die eine
kurvige Blondine am Ärmel hinter sich herzog.
„Jetzt komm schon, Sina“, drängte sie. „Es wird dich schon keiner beißen.“
Niemand lachte.
Was man als Beweis dafür gelten lassen kann, dass selbst junge Bluttrinker
zu einer gewissen Selbstbeherrschung fähig sind .
Lukas Blick blieb an der Blonden hängen. Sie war mittelgroß und nicht ganz so
aufreizend gekleidet wie die übrigen Frauen. Blaue Augen dominierten ein
sanftes Gesicht und wanderten nervös umher.
Er atmete tief ein und berührte zugleich ihre Gedanken. Unter den üblichen Pflegeprodukten
nahm er nur den köstlichen Duft einer gesunden jungen Frau wahr. Keine Drogen,
keine Medikamente, keine überforderte Leber. Ihre Gedanken verrieten ihre
Unsicherheit. Sie war nicht ganz freiwillig in Ricardos SUV eingestiegen. Nach
dem mentalen Schubs , den der nicht besonders feinfühlige Spanier ihr
verpasst hatte, wusste sie nicht so recht, wie sie hierher kam. Lukas beschloss
dafür zu sorgen, dass sie diese Nacht in angenehmer Erinnerung behielt.
Peters ungeduldiges Grunzen, zu leise für die Ohren der
Sterblichen, lenkte Lukas ab. Er blickte zu den Tischen hinüber und sah noch,
wie Peter Jan zur Seite stieß. Jan hatte die ersten Gläser zu drei Vierteln mit
Cola gefüllt. Peter verteilte die Limonade auf jeweils zwei Gläser und griff
nach einer Wodkaflasche, mit der er großzügig auffüllte.
„Spinnst du?“, zischte Jan. „Das ist viel zu viel.“
Peter gab ein verächtliches Schnauben von sich. „Wir wollen doch nicht ewig
warten, bis die genug intus haben.“
Etienne zertrat den Rest seiner Zigarette auf dem Parkett
und gesellte sich zu seinen Kameraden am Tresen. Die Südländerin strahlte ihm
entgegen. Er suchte Lukas Blick.
Die stumme Frage des Freundes ließ Lukas aufmerken. Aber er brauchte sich keine
Sorgen zu machen. Ricardo, der mit Abstand Größte und Kräftigste ihrer Gruppe,
hatte seine Wahl bereits getroffen. Ihr Anführer hatte sich zielsicher die
Prostituierte mit dem kürzesten Rock und der üppigsten Oberweite ausgesucht.
Die Witterung von Ricardos Beute stieg Lukas in die Nase. Nicht einmal der scharfe
Geruch des Wasserstoffsuperoxids übertünchte das Silikon, das aus den
Brustimplantaten in den Kreislauf der Frau sickerte. Keine dieser Chemikalien
würde einem Bluttrinker Schaden zufügen. Dennoch müsste Lukas schon kurz vor
der Auszehrung stehen, um diese Sterbliche als Nahrungsquelle in Betracht zu
ziehen. Aber er würde sich nicht beschweren. Ricardos zuverlässig schlechter
Geschmack kam ihm nicht zum ersten Mal gelegen.
Etienne bemerkte Lukas Blicke und erwiderte sein Grinsen. Als Dritter in der
Rangordnung ihres kleinen Raubtierrudels musste er Lukas Entscheidung abwarten,
bevor er selbst zum Zuge kam.
Heute würden sie keinen Streit bekommen. Lukas sah demonstrativ zu der
appetitlichen Blondine. Naturblond. Auch der Rest von ihr war zweifelsfrei echt.
Sie neigte den Kopf zur Seite, lauschte scheinbar den Worten ihrer Freundin.
Eine zarte Röte erschien auf ihren Wangen, als Lukas sie dabei ertappte, wie
sie sich nach ihm umsah.
Mit einem tiefen Blick, den Peter jeder, der er ein Glas in
die Hand drückte, zukommen ließ, sorgte er dafür, dass sie austrinken würden
und sich nicht wunderten, weil keiner der Männer es ihnen gleichtat. Auch Sina
griff nach einem der Gläser, aber Lukas war schneller. Er nahm Peter das
Getränk ab.
„Das mach ich schon selbst.“
Peter starrte ihn an. Sein Zorn traf Lukas unvorbereitet.
Was soll das? Es ging Peter absolut nichts an, ob er sich hier betrank
oder nicht. Innerlich schüttelte Lukas den Kopf. Sie waren nie besonders gut
miteinander ausgekommen.
„Wir setzen uns dort drüben hin.“
Er nahm Sina bei der Hand. Ein altes Cordsofa stand in der Ecke und bot den
Vorteil, dass es dem Großteil des Raumes den Rücken zuwandte. Eine sanfte
hypnotische Ermunterung genügte, damit die junge Frau ihm folgte und sich neben
ihm auf der
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