Bluttrinker (German Edition)

sanft am Arm und begleitete sie zum Sofa.
„Immer mit der Ruhe, Tony!“
Ihr wurde bewusst, dass ihre Stimme hysterisch klang. Lukas zog sie zu sich in
die tiefen Polster. „Wo ist das Problem?“
„Das ist einfach zu viel, zu groß, zu teuer. Ich meine, ich könnte nicht mal
einen Bruchteil von diesen Sachen bezahlen. Dieser Kühlschrank ist
wahrscheinlich teurer als meine gesamte Einrichtung. Von so einer Wohnung in
dieser Lage ganz zu schweigen.“
„Tony, niemand erwartet, dass du das bezahlst. Der Krempel steht hier rum und
staubt ein.“
„Aber deine Mutter könnte die Wohnung vermieten. Sie könnte eine hübsche Stange
Geld verlangen. Wenn wir zusammenziehen, möchte ich die Hälfte der Miete
übernehmen. Ich kann nicht rumsitzen und mich von deiner Familie aushalten
lassen!“
    Lukas Miene war ungewohnt ernsthaft.
„Tony, ich fürchte es wird schwierig werden, eine Wohnung für uns beide zu
finden, die du bezahlen kannst. Das soll keine Beleidigung sein und ich habe
auch keine überzogenen Ansprüche. Ich brauche diesen ganzen
Designer-Schnickschnack nicht und ich bräuchte auch kein Penthouse mit
Aussicht. Aber es gibt ein paar Dinge, auf die möchte ich wirklich nicht
verzichten. Und es ist nun mal so, dass günstige Wohnungen, die für Sterbliche
hergerichtet sind, das üblicherweise nicht haben.
Zum Beispiel sind hier sämtliche Fensterscheiben gegen UV-Strahlung
beschichtet. Ich kann hier in der Morgen- und Abenddämmerung oder an trüben
Tagen aus dem Fenster sehen, ohne dass ich mir gleich den Pelz verbrenne.
Außerdem sind die Jalousien sehr stabil und schließen absolut dicht. An einem
sonnigen Sommertag könnte ich auch von den Lichtritzen in einem normalen
Rollladen Verbrennungen bekommen, besonders im Schlaf, wenn ich es nicht gleich
merke.
An heißen Sommertagen ist eine Klimaanlage schon kein Luxus mehr, wenn man die
Fenster nicht öffnen kann, weil man das Licht aussperren muss. Die Heizung
lässt sich völlig unabhängig steuern. Es gibt keine Nachtabsenkung, sondern man
kann genauso gut eine Tagesabsenkung einprogrammieren. Auf Dauer ist es ganz
schön lästig, wenn es zu warm wird, wenn man schlafen will und man sich den
Hintern abfriert, wenn man wach ist.
Die Decke zu den Wohnungen unter uns ist speziell schallisoliert. Die Menschen
da unten werden tagsüber unseren Schlaf nicht stören. Und wir können nachts um
vier auf den Tischen tanzen, ohne dass einer auch nur merkt, dass wir da sind.
Dazu kommt der separate Eingang durch die Garage. Wir können ungesehen zu jeder
Nachtzeit ein und aus gehen, ohne dass neugierige Nachbarn sich den Kopf
zerbrechen, was für ein sonderbares Leben wir führen.“
    Tony betrachtete die abgeschrubbten Spitzen ihrer
Ballerinas. Sie wirkten auf dem cremeweißen Flauschteppich, der einen Teil des
glänzenden Marmorbodens bedeckte, geradezu schäbig. Tony erschienen sie wie ein
Sinnbild. Lukas trug zwar seine übliche schwarze Jeans, aber seine Schuhe
glänzten matt, waren schmal geschnitten und sahen aus, als hätten sie so viel
gekostet wie ihre gesamte Garderobe.
„Sind die italienisch?“, fragte sie, bevor sie sich auf die Lippen beißen
konnte.
    Lukas seufzte. „Ich hab´ keine Ahnung. Sie gehörten Johann,
aber er findet sie unbequem und hat sie nie getragen. – Tony, bitte. Komm von
dieser Geldgeschichte runter. Der Krempel hier“, er wies auf den riesigen
Bildschirm an der Wand gegenüber, „ist im Grunde nur Spielzeug. Ich bräuchte es
zwar nicht, aber wenn meine Mutter den Plunder aus purer Langeweile gekauft
hat, sehe ich nicht ein, warum ich ein schlechtes Gewissen haben sollte. Und du
brauchst dich deswegen schon gar nicht schlecht zu fühlen. Diese Wohnung ist
ideal und kostet uns keinen Cent!“
„Aber wenn ich jemanden einladen möchte? Zum Lernen, zum Beispiel. Lilly und
Sabine hingen früher oft in meiner Bude rum. Ich hab die beiden so lange nicht
mehr gesehen. Ich hab ohne all das schon keinen Schimmer, was ich ihnen
erzählen soll.“
„Ich finde, du solltest deinen Freundinnen die Wahrheit sagen.“
Tony starrte Lukas einen Augenblick fassungslos an.
„Oh, ja! Ich lande in der Psychiatrie und du in einem großen Glas voll
Spiritus.“
Lukas lachte. „Ich meine, du solltest so nah an der Wahrheit bleiben, wie
möglich. Du hast einen Freund aus einer wohlhabenden Familie. Diese Wohnung
gehört seiner Mutter, die froh ist, wenn die Bude nicht leer steht. Da ist doch
nichts dabei. Das passiert jeden Tag.“
Tony