Bluttrinker (German Edition)
Arbeitszimmer
zurück. Die Stimme aus dem Lautsprecher war ihm vage bekannt vorgekommen, und
tatsächlich:
„Antonius, wir brauchen einander nichts vorzumachen. Wäre meine Übereinstimmung
mit deinen Ansichten der maßgebliche Gesichtspunkt, man hätte mich niemals zum
Anführer ernannt. Das ist eine interne Angelegenheit der Jäger. Wenn du
Beschwerden über mich vorzubringen hast, solltest du das direkt bei Jeremias
tun.“
„Du unterschätzt den Ernst der Lage!“ Die Stimme des Ratsvorsitzenden verriet
seine Anspannung. „Die Zeiten der Willkür der Jäger sind endgültig vorbei.
Halte dich an die Ratsanordnung, Johann, mehr kann ich dir nicht empfehlen.“
Die Verbindung wurde unterbrochen.
Johann war alle Farbe aus dem Gesicht gewichen. Seine Finger
bebten vor mühsam beherrschter Wut, als er den Computer herunterfuhr. Lukas
dachte, was für ein Glück es war, dass Tonys Eltern gegangen waren. Sie wären
wahrscheinlich schreiend davongelaufen, hätten sie seinen Vater in dieser
Stimmung erlebt.
„Was hat das zu bedeuten, Johann?“ Nora war unbemerkt hinter
Lukas getreten und hatte das Ende des Gesprächs ebenfalls gehört.
„Ich schätze, ich bin gerade in Ungnade gefallen.“
Eine Stunde später fand sich Tony auf der Rückbank von
Johanns Kombi wieder. Sie saß neben Nora und erinnerte sich an die
folgenschwere Nacht vor einem halben Jahr, als Lukas und sein Vater sie mit
eben diesem Auto aus dem Kino entführten. Das alles erschien ihr heute wie ein
ferner Albtraum.
Johann überließ seinem Sohn das Steuer, nachdem Nora ihm
vorgeworfen hatte, seine Aggressionen im Straßenverkehr abzureagieren. Er hatte
sich mittlerweile weit genug beruhigt, um mit dem Fluchen aufzuhören und zu
erklären, was geschehen war.
„Ich hätte dir ohnehin von der Sache erzählt, Lukas, sobald
die Lembergs gegangen waren. Es gab vergangene Nacht, genauer gesagt in den
frühen Morgenstunden, einen Vorfall in der Nähe von Etiennes Klub. Eine Frau
wurde von Bluttrinkern getötet. Soviel ist unstrittig.
Es wäre ein paar Nachforschungen wert, herauszufinden, woher Marius seine
Informationen bezieht. Nur eine Stunde, nachdem die Leiche entdeckt wurde, hat
er mich zu Hause privat angerufen - wohlgemerkt, nicht etwa das Hauptquartier.
Er war schon immer ein arroganter Mistkerl, aber diesmal hat er den Vogel
abgeschossen. Er meinte, mir Anweisung erteilen zu können, sofort ins
Hauptquartier zurückzukehren und mich persönlich mit der Sache zu befassen.
O-Ton: Der Rat erwartet meinen Bericht.“
Lukas versuchte ein Lachen, aber ein Seitenblick auf die verkniffene Miene
seines Vaters ließ ihn verstummen.
„Ich habe ihm gesagt, Matthias lässt ihm einen Durchschlag seines Berichts
zukommen, wenn er seine Ermittlungen abgeschlossen hat. Anschließend habe ich
das Hauptquartier kontaktiert und mich vergewissert, dass Jan und Etienne den
Vorfall vorschriftsgemäß gemeldet haben. Matthias war schon an der Sache dran.
Damit war der Fall für mich erst mal erledigt.
Die SMS vorhin kam vom Rat. Es war eine Aufforderung, mich innerhalb der
nächsten Stunde mit Antonius in Verbindung zu setzen. Er hat mir offiziell
mitgeteilt, dass ich mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert sei. Das für
eine Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen mir und dem Rat
sei nicht mehr gegeben.
Aber das ist noch nicht alles. Am frühen Abend ist eine Truppe von zwanzig
Ratsgardisten im Hauptquartier aufgetaucht, mit Marius an der Spitze.“
Lukas hätte beinahe vergessen, dass er ein Auto steuerte.
„Der Rat hat dein Hauptquartier besetzt? Ist es das, was du sagst?“
Johann antwortete nicht. Er starrte nur krampfhaft aus dem Seitenfenster.
„Was hast du jetzt vor?“ Die Frage kam von Nora. Ihre Stimme klang unnatürlich
ruhig.
„Ich habe keine Ahnung“, gestand Johann. „Natürlich haben weder der Rat noch
Antonius das Recht, sich in interne Angelegenheiten der Jäger zu mischen. Ich
hätte allen Grund, meinen Leuten zu befehlen, die Ratsgardisten
rauszuschmeißen, sie sogar töten zu lassen, wenn sie sich widersetzen. Ich
könnte Unterstützung von anderen Jägern und von Jeremias anfordern.“
Lukas verstand das Problem sofort. „Das würde auf Krieg zwischen dem Rat und
den Jägern hinauslaufen.“
Johann nickte grimmig. „Die wissen genau, dass ich es darauf nicht ankommen
lasse. Mir sind die Hände gebunden.“
„Aber wie wird das weiter gehen?“, empörte Lukas sich. „Selbst wenn du dir, um
des Friedens
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