Bluttrinker (German Edition)
willen, diese Unverschämtheit gefallen lässt, würde das einen
Präzedenzfall schaffen.“
„Und genau das ist es“, erkannte Nora, „was Marius und Antonius mit dieser
Aktion bezwecken, nicht wahr?“
„Die Unabhängigkeit der Jäger war diesen machtgeilen Mistkerlen schon immer ein
Dorn im Auge“, bestätigte Johann düster.
Jeremias Hunter schlenderte in den Hinterzimmern des Raven
von einer offenen Tür zur nächsten und spähte, amüsiert grinsend, in die
verlassenen Räumlichkeiten.
Tony erinnerte sich, dass Jan und Etienne ebenfalls seine Schüler gewesen
waren. Sie fragte sich, was der elegante Jäger von der Karrierewahl seiner
beiden Schützlinge halten mochte.
Johanns Nachricht, was in seinem Zuständigkeitsbereich
vorgefallen war, hatte den Engländer, der auf nicht genau zu definierende Weise
allen Jägern vorzustehen schien, bereits am Flughafen erreicht. Eine E-Mail von
Antonius hatte ihn veranlasst, sich sofort auf den Weg zu machen. Der
Ratsvorsitzende ließ Jeremias mitteilen, ihm lägen Beweise für Johanns Untreue
und Verrat vor. Eine Möglichkeit, die Jeremias offenbar keine Sekunde in
Betracht zog.
Yvette stand hinter dem Tresen und schenkte Cognac aus.
„Hier, das beruhigt die Nerven.“
Nora kletterte neben Tony auf einen Barhocker und nahm das Glas entgegen.
Jan hatte einige Aktenordner auf dem Tresen ausgebreitet und
sah missmutig zu, wie Johann durch die Seiten blätterte.
„Mach dich nicht verrückt!“ Lukas Vater hielt in seiner Tätigkeit inne und sah
dem jüngeren Bluttrinker fest in die Augen. „Das ist hundertfünfzig Prozent in
Ordnung. Niemand wird dir daraus einen Strick drehen können.“
„Um Stricke mache ich mir weniger Sorgen“, murrte Jan. Es gelang ihm nicht,
seine Befürchtungen zu verdrängen.
Nach dem, was Lukas Tony über die Bestrafungsmethoden der Vampirgemeinschaft
erzählt hatte, konnte sie es ihm nicht verdenken.
„Es geht natürlich um diesen Sicherheitsvermerk. Als wir den
Laden angemeldet haben, hat kein Hahn danach gekräht. Jetzt behauptet Marius,
ich hätte meine Vorstrafe unterschlagen.“
„Wir haben von Anfang an klargestellt, dass Jan für die Sicherheit der
Blutwirte zuständig ist. Niemand hat daran Anstoß genommen“, schaltete Etienne
sich ein. „Außerdem habe ich damals auch mein Fett wegbekommen. Wenn auch eher
als Schuss vor den Bug.“
„Unter drei Stunden werden Strafen nicht ins Register eingetragen“, erläuterte
Johann beiläufig. „Erzählt noch mal genau, was gestern Abend vorgefallen ist!“
Johann klappte den Ordner zu und verschränkte die Arme auf dem Tresen.
Etienne ließ sich auf eines der Plüschsofas fallen und
begann mit dem Überdruss eines Mannes, der seine Geschichte schon viel zu oft
wiederholt hat.
„Es war schon nach fünf und nicht mehr viel los. Dieser Penner Harald kam zu
Jan gerannt. Quince, ihr wisst schon. Ich war grade im Büro.“
Jan sprang ein.
„Ich hab bei dem Krach in der Disco erst nicht begriffen, was er wollte. Ich
habe die Tür zu den Hinterzimmern und den Eingang im Blick, wenn ich an meinem
Platz bin. Ich achte immer darauf, wer mit wem nach hinten geht. Wer versuchen
sollte, eins unserer Mädels hier raus zu schleppen, würde sich wundern. Ich
wusste definitiv, dass niemand von uns auf der Straße sein konnte!“
Johann nickte geduldig.
„Harald schrie mir ins Ohr, im Hinterhof würde eins unserer Mädchen zwischen
den Mülltonnen liegen. Mausetot! Ich hab ihn gefragt, ob er sich an einer
Crackhure vergriffen hat und vorgeschlagen, dass er nach Hause gehen und sich
auspennen soll, bis er von dem üblen Trip runter ist.“
Johann senkte den Kopf, um sein Grinsen zu verbergen. Er
hatte Verständnis für Jans Reaktion, aber in den Vernehmungsprotokollen machte
sich diese Antwort nicht besonders gut. Harald hatte es sich gewiss nicht
nehmen lassen, jedes von Jans Worten zu Protokoll zu geben.
„Dann habe ich, nur um sicherzugehen, Thomas nachsehen geschickt.“
Tony hatte den hübschen Barkeeper, der neben Jan am Tresen lehnte, noch kein
Wort sprechen hören. Seine ruhige, selbstsichere Stimme stellte klar, dass er
nicht aus Schüchternheit schweigsam war.
„Ich bin mit Etienne hinten raus. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Im ersten
Augenblick glaubte ich auch, sie wäre eine von uns.“
„Tiefer Ausschnitt, kurzer Rock, hohe Absätze und keine Unterwäsche“,
präzisierte Etienne.
Johanns Handy klingelte.
„Matthias! Hast Du was Neues für mich? - Nein, ich bin in
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