Bluttrinker (German Edition)
darauf, ihren Artgenossen nicht
unnötig zu nahe zu kommen. Dies galt besonders für Fremde, und in noch höherem
Maß für Fremde, die einander nicht sonderlich sympathisch fanden. Ihrer Natur
nach waren Vampire Einzelgänger. Überschreitungen der persönlichen Grenzen
riefen instinktive Aggressionen hervor. Der Gardist gab Lukas mit seinem
Verhalten zu verstehen, dass er ihn nicht ernst nahm.
Es gelang Lukas ruhig zu bleiben, nur seine Stimme bebte
zornig. „Das ist Privateigentum!“
„Kein Datenträger verlässt das Hauptquartier. Strikte Anweisung vom Rat. Du kriegst
dein Spielzeug wieder, wenn du zurückkommst.“
Lukas kratzte seine ganze Selbstbeherrschung zusammen, um diesen arroganten
Kerl nicht anzuknurren wie ein wütender Wolf. Er bemühte sich eingeschüchtert
auszusehen, als er sich die Tasche aus der Hand nehmen ließ. Es tat ihm
tatsächlich leid um sein Spielzeug . Wer wusste schon, ob er überhaupt
ins Hauptquartier zurückkehrte? Der winzige USB-Stick, auf dem er alle
wichtigen Daten abgelegt hatte, schien in der Innentasche seiner Jacke zu
glühen.
Er warf dem selbstgefällig grinsenden Gardisten noch ein
paar gereizte Blicke zu, während er in seinen Jeep kletterte. Doch nachdem er
die Barriere aus Buschwerk und Stacheldraht hinter sich gelassen hatte, pfiff
er vergnügt vor sich hin.
Sicher, Marius hatte ihn schneller hinausbefördert, als Johann gehofft hatte,
aber ansonsten war alles hervorragend gelaufen.
Er aktivierte die Freisprecheinrichtung und kurze Zeit
später drang die besorgte Stimme seines Vaters aus dem Lautsprecher.
„Lukas? Alles in Ordnung?“
„Alles klar. Marius hat mich grade rausgeschmissen. Aber ich hab die
Labordaten. Ich bin schon auf dem Rückweg und in schätzungsweise einer Stunde
zu Hause.“
„Großartig. Gut gemacht, Junge!“
Johann unterbrach die Verbindung, als Lukas auf die leere Autobahn auffuhr.
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Johann musterte abschätzend Etiennes selbstzufriedenes
Gesicht, das ihn vom Bildschirm seines PCs angrinste.
Die CD mit dem Kommunikationsprogramm, die er dem jungen Bluttrinker per Kurier
hatte zustellen lassen, war normalerweise nur Jägern zugänglich. Aber die
Zeiten waren, so hatten Johann und Jeremias beschlossen, schon lange nicht mehr
normal zu nennen.
„Bist du sicher, dass Peter glaubt, euch eingeschüchtert zu haben?“
Etienne feixte.
„Die beiden sind sich mächtig schlau vorgekommen. Peter hat ständig
irgendwelche wüsten Drohungen ausgestoßen. Und Harald, dieser Schleimscheißer,
hat mich vollgetextet, was für einen Haufen Kohle ich machen könnte, wenn ich
bei ihrem Scheißspiel mitmache. Mit Jan haben sie es sich noch einfacher
gemacht. Peter hat ihm erzählt, wie böse Daddy auf Sohnemann ist. Als ob das
für Jan was Neues wäre. Ich wusste nicht, dass Jan ein so guter Schauspieler
ist. Ich hätte beinahe selbst geglaubt, dass er hofft, sich mit dem alten
Drecksack auszusöhnen.“
„Also arbeiten Peter und Harald weitgehend selbstständig“, stellte Johann fest.
„Peter wirkte reichlich nervös, wenn du mich fragst.“
„Das wundert mich nicht“, konstatierte Jeremias. „Es ist wahrscheinlich sein
erster Auftrag für die Alten Götter, seit er den Fleck auf seiner Weste
losgeworden ist. Vielleicht ist es sogar seine Eintrittskarte in die
Organisation selbst. Wenn er diese Chance vergeigt, kann er die Sache erst mal
vergessen und muss froh sein, wenn er mit halbwegs heiler Haut rauskommt.“
„Als Bodos Sohn würde er doch sicher mit einer leichten Abreibung davonkommen“,
vermutete Etienne, aber Jeremias schüttelte energisch den Kopf.
„Du kennst diese Kerle nicht! Die schicken ihre eigene Mutter auf den
Scheiterhaufen, wenn es um ihren Verein und seine Ziele geht. Und ich meine das
keineswegs im übertragenen Sinne. Das sind keine Junkies, die aus irgendwelchen
Triebreaktionen heraus handeln. Die Alten Götter sind kälter als Eis.
Ich schätze, dass Bodo sich von seinem Ableger eine ganze Menge mehr
versprochen hat. Peter ist weder auf körperlichem noch geistigem Gebiet ein
Hauptgewinn. Dass er jemals in die Liga seines Vaters aufsteigt kann ich mir
nicht vorstellen. Offenbar vererbt Bodo sich nicht besonders gut. Sein erster
Sohn war auch nicht nach seinem Geschmack.“
„Peter hat einen Bruder?“, staunte Lukas.
„So kann man das eigentlich nicht sagen.“ Jeremias zuckte die Schultern. „Die
beiden sind sich nie begegnet. Everet ist seit Jahrhunderten tot. Er ist auf
eine ziemlich ungemütliche Art gestorben
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