Blutvertrag
er etwas davon merkt, erwischen wir ihn vielleicht gefahrlos von hinten«, sagte Pete.
»Das ist die einzige Möglichkeit. Aber hoffen wir, dass es uns gelingt, ihn lebend zu überwältigen. Schließlich müssen wir erfahren, wer ihn angeheuert hat.«
Linda räusperte sich. »Meint ihr nicht, es wäre jetzt vielleicht so weit, dass wir die Polizei informieren sollten? Für so was gibt es doch Spezialeinheiten.«
»Nein«, sagten Tim und Pete gleichzeitig, dann erklärte Pete: »Ein Berufskiller hat nicht die Absicht, ins Gefängnis zu kommen.«
»Dieser Typ schon gar nicht«, sagte Tim. »Der ist viel zu tollkühn. Bei dem geht es um alles oder nichts, was heißt, dass er versuchen wird, sich den Weg freizuschießen.«
»Wenn eine Spezialeinheit anrückt, setzt die zuerst einen Unterhändler ein«, ergänzte Pete. »In dieser Situation wird Tims Mutter für den Killer sofort zu einem Klotz am Bein. Er weiß, dass man ihm nie erlauben wird, unbehelligt mit ihr abzuziehen, weshalb er sie umbringen wird, sobald er eine Sirene hört. Dann will er nämlich schnell sein.«
»Gut, dass du darauf zu sprechen kommst«, sagte Tim. »Tritt mal ein bisschen aufs Gas.«
58
Entzückend, diese ungehindert fließenden Tränen. Entzückend auch die Schluchzer, die Mary unterdrücken wollte, weshalb sie sich als ersticktes Glucksen und als kurzes, spastisches Schaudern äußerten.
Nachdem er die Glock in sein Schulterhalfter gesteckt hatte, trug Krait den Stoffbeutel, den Gummischlauch, die Injektionsspritzen und die Schüssel mit Apfelstücken zu der Kochinsel in der Küchenmitte. Auf dem Tisch blieb nichts liegen, was Mary mit ihrem ungefesselten Arm hätte erreichen können.
Er stellte sich neben ihren Stuhl und blickte auf sie hinab, während sie sich mit dem Handrücken über die feuchten Wangen wischte.
»Tränen machen eine Frau nur schöner«, sagte er.
Sie schien zornig auf sich zu sein, weil sie weinte. Ihre feuchte Hand ballte sich zur Faust, die sie an die Schläfe presste, als könnte sie ihre Verzweiflung durch einen Willensakt bezwingen.
»Ich mag den Geschmack von Tränen im Kuss einer Frau.«
Ihr Mund war schlaff vor lauter Pein.
»Ich würde Sie gern küssen, Mary.«
Sie wandte das Gesicht ab.
»Womöglich stellen Sie erstaunt fest, dass es Ihnen gefällt. «
Mit jäher Wut hob sie den Kopf und sah ihn an. »Und Ihnen gefällt es vielleicht, wenn ich Ihnen die Lippe abbeiße. «
Diese Zurückweisung war so gehässig, dass ein weniger beherrschter Mann als Krait zugeschlagen hätte. Er jedoch starrte Mary nur an und fand nach einer Weile sogar sein Lächeln wieder.
»Ich habe noch etwas zu tun, Mary, aber ich bin gleich nebenan. Wenn Sie um Hilfe rufen, wird niemand außer mir Sie hören, und dann muss ich Ihnen einen Lappen in den Mund stopfen und Ihre Lippen mit Paketband zukleben. Das wollen Sie doch nicht, oder?«
Der mörderische Ausdruck in ihren Augen hatte alle Tränen weggebrannt.
»Sie sind ein ganz schön harter Brocken, meine Liebe.«
Er dachte, sie würde ihn anspucken, doch das tat sie nicht.
»Einem Sohn beizubringen, dass er für seine Mutter sterben soll.« Krait schüttelte den Kopf. »Ich frage mich wirklich, was für ein Mensch Ihr Mann wohl ist.«
Sie machte den Anschein, als wollte sie eine vernichtende Antwort geben. Er wartete einen Moment, doch sie entschied sich zu schweigen.
»Ich bin bald wieder zurück, um Sie zum Auto zu tragen und dort schlafen zu legen. Bleiben Sie inzwischen einfach hier sitzen, Mary, und denken Sie daran, wie gut es doch ist, dass Sie den richtigen Entschluss gefasst haben. Wäre doch schade, wenn Sie, Zachary, seine Frau und seine Tochter sonst sterben müssten.«
Er verließ die Küche, blieb jedoch im Flur stehen und lauschte.
Mary rührte sich nicht. Krait hätte erwartet, ein leises Klappern zu hören, weil sie den Sitz der Handschellen untersuchte, doch es blieb still.
Im Wohnzimmer hängte Krait das Ölgemälde mit den glücklichen Kindern ab, die über einen sonnigen Strand liefen. Er legte es auf den Boden und kniete sich daneben.
Aus der Hosentasche zog er ein Klappmesser. Damit löste er die Leinwand aus dem Rahmen, um sie anschließend in Streifen zu schneiden.
Er überlegte, ob er zum Bücherschrank gehen sollte, um alle Fotos, auf denen Tim abgebildet war, ebenfalls aus dem Rahmen zu nehmen und zu zerschnipseln. Aber da er bald den echten Tim umbringen würde, konnte er mit den restlichen Minuten im Haus der Carriers
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