Blutvertrag
scharf.
»Gut, er betatscht Sie gern«, sagte Dennis Jolly. »Wenn er nicht gewalttätig ist, sondern bloß unverschämt, können Sie sich ja trotzdem von ihm nach Hause bringen lassen. Ist doch nicht so schlimm, wenn er sie mal anfasst.«
»Doch, das ist schlimm!«
Sie sah sich nach der Tür zum Lokal um. Noch keine Spur von Kravet.
Wenn sie nicht bald hier rauskam, dann schaffte sie es nicht zur Straßenecke, bis Tim kam.
»Es ist schlimm«, wiederholte sie.
»Sobald er Sie nach Hause gefahren hat, können Sie ihm dort eins reinwürgen, dann stänkert er hier wenigstens nicht rum.«
Sie trat auf Dennis Jolly zu, starrte ihn aus nächster Nähe an, packte ihn am Gürtel und hatte schon im nächsten Augenblick dessen Ende aus der Schlaufe gezogen.
»He!«
Ein rascher Griff, und die Schnalle war offen.
Der Geschäftsführer schlug hilflos nach ihren Händen. »Halt, was zum Teufel tun Sie da, aufhören!«
Er wich zurück, doch sie folgte ihm aggressiv, löste den Hosenknopf, griff nach dem Reißverschluss und zog ihn mit einem Ruck auf.
»Nein! Halt, he!«
Linda folgte ihm, als er rückwärts durch den engen Gang taumelte. Verzweifelt versuchte er, seinen Reißverschluss zu schließen, doch sie packte seine Hand.
»Was hast du denn für ein Problem?«, fragte sie, nicht ohne ihm mit dem P von Problem ein wenig Speichel ins Gesicht zu sprühen. »Ich will dich doch bloß ein wenig betatschen. Bist du etwa schüchtern, Denny? Ist doch nicht schlimm, mal angefasst zu werden, hast du das denn nicht selbst gesagt? Viel ist da wohl sowieso nicht zum Fummeln. Hast du vielleicht Angst, ich könnte ihn nicht mal finden, Denny?«
Der Geschäftsführer stieß an einen Tisch, von dem ein Stapel Teller zu Boden stürzte und mit dem harten Klappern von billigem, dickem Porzellan in Stücke sprang.
Sie zerrte an der Hand, die er schützend über sein bestes Stück hielt, und versuchte, mit der anderen Hand in seine Hose zu langen. »Hat schon mal jemand versucht, ihn zu ’nem Knoten zu binden, Denny? Das wird dir bestimmt gefallen. Komm, lass mich einen Knoten reinbinden!«
Mit rotem Gesicht wich er stotternd zurück, wobei seine aufgeblähten Muskeln ihren Dienst versagten. Er stolperte und fiel rücklings zu Boden.
Statt ihm einen aufmunternden Fußtritt zu verpassen, was sie nur zu gern getan hätte, trat Linda zwischen seine hilflos gespreizten Beine und dann über ihn hinüber. Sie hastete auf das Ende der Küche zu.
»Du hirnverbranntes Miststück!«, japste er mit überschnappender Stimme.
Der Gang endete in einem offenen Vorraum mit drei Türen. Die Logik sprach dafür, dass die in der gegenüberliegenden Wand nach draußen führte. Stattdessen kam dahinter ein Kühlraum.
Hinter der linken Tür verbarg sich ein kleines, mit Möbeln vollgestelltes Büro. Rechts ging es in eine Putzkammer mit Waschbecken.
Linda erkannte ihren Fehler, lief zu der ersten Tür zurück und riss sie auf. Tatsächlich befand sich am anderen Ende des Kühlraums eine Tür, durch die offenbar Ware angeliefert wurde. Dahinter kam die Gasse.
Zwei große Müllcontainer flankierten den Hintereingang. Sie rochen bei weitem nicht so gut wie die Hamburger und Muffins, die in der Küche zubereitet wurden.
Die Gasse war dunkel. Als Linda nach links und rechts blickte, sah sie in größeren Abständen von Draht geschützte Leuchten, deren Lichtkegel aufs Pflaster fielen, ansonsten herrschte eine bedrohliche Dunkelheit.
Von der Konfrontation in der Küche erschüttert, hastete sie ein paar Schritte die Gasse entlang, bevor ihr klarwurde, dass sie nach links statt nach rechts gegangen war.
Als sie wieder an der Hintertür des Cafés vorbeikam, hörte sie hinter sich einen Wagen in die Gasse einbiegen.
Da hier überall Müllcontainer standen, blieb nur eine enge Fahrspur frei. Ohne sich umzudrehen, hielt sie sich am Rand, um den Wagen vorbeifahren zu lassen.
Irgendwie hörte der Motor sich merkwürdig an. Er klopfte und tickte, aber das war nicht das einzige beunruhigende Geräusch.
Sie drehte sich um und sah einen Wagen, der nur noch einen Scheinwerfer hatte und sich zur Seite neigte, weil auf der Fahrerseite einer der Reifen oder beide platt waren. Zerfetztes Gummi klatschte, ein stählerner Felgenrand knirschte über den Asphalt, die Stoßdämpfer quietschten und irgendetwas – vielleicht der Auspuff – schrammte übers Pflaster, sodass Funken unter dem Fahrzeug hervorsprühten.
Im Lichtkegel einer der wenigen Lampen erkannte
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