Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
Vom Netzwerk:
mehrfache Reflexion nämlich nicht nur eine fremde Welt sichtbar, sondern viele davon. Jede war in allen anderen enthalten, jede versprach die vollkommene Macht, nach der er sich sehnte, die er auf dieser Seite des Spiegels jedoch nicht ganz erreichen konnte.
    Er stand vor zahlreichen Kraits, die alle ihre eigene Pistole hielten und nicht wie Reflexionen aussahen, sondern wie Reproduktionen. Alle waren ebenso bewusst wie er, nur dass sie ein jeweils anderes Bewusstsein in anderen Dimensionen besaßen. Er war zu einer ganzen Armee geworden und spürte die Macht , viele zu sein, die grimmige Wildheit des Rudels und die Bösartigkeit eines stachelbewehrten
Schwarms. Das hob seine Stimmung und erfrischte seinen Geist.
    Plötzlich fiel ihm auf, wie er aussah, was ihm einen erheblichen Dämpfer versetzte. Der Regen hatte seine Kleidung völlig formlos werden lassen. Man konnte nicht mehr sehen, dass es sich um qualitativ hochwertige Stücke handelte. Das Haar klebte ihm am Schädel.
    So hätte ihn jeder mit einem Penner verwechseln können, der sich ohne einen Cent haltlos herumtrieb. Er schämte sich seines Aussehens.
    Diese Beschämung erinnerte ihn an das peinliche Gefühl im Hotel, wo er von Carrier überlistet worden war.
    Alle Kraits in allen Welten innerhalb der Spiegel sprachen im Chor, doch sie waren nur in ihrem jeweiligen Bereich hörbar. Nur eine einzige Stimme eines einzelnen Krait sprach laut die Worte aus, die von den schweigenden Mündern der anderen geformt wurden: »Er hat es wieder getan.«
    Krait trat aus dem Fitnessraum in den Hausflur.
    Er ging nicht zur Treppe. Die war ihm völlig schnuppe. Der Maurer und das Miststück waren gar nicht im Obergeschoss, um von der vermeintlich überlegenen Position aus die Treppe zu verteidigen. Da waren sie nie gewesen.
    Sie waren abgehauen, als das Licht angegangen war.
    Die Haustür war nicht verschlossen. Kein Wunder. Schließlich hatten die beiden keinen Schlüssel, um sie von außen zu versperren.
    Krait öffnete die Tür. Regen trieb herein.
    Ohne die Tür hinter sich zu schließen, ging er durch den Vorgarten zur Straße.
    Carriers Wagen war verschwunden.
    Der Wind peitschte den Regen härter als vorher durch die Luft. Die Tropfen stachen Krait ins Gesicht.
    Obwohl es am Himmel ruhig geworden war, zerriss ein letzter Blitzstrahl die Nacht, und Krait zuckte zusammen. Er dachte, er würde getroffen.

    Er betrachtete das Fahrrad. Das Schild mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN.
    Er nahm die beiden Neun-Millimeter-Patronen aus der Hosentasche. Dieses eine zusätzliche Detail war zu offensichtlich gewesen. Die Patronen waren Carrier nicht aus der Tasche gefallen, sie waren absichtlich auf dem Gehsteig platziert worden.
    Krait steckte sie wieder in seine Hosentasche. Er hatte noch Verwendung dafür.
    Er ging zu der Verkehrsinsel in der Mitte des Rondells. Der dunkelblaue Chevrolet wartete dort, wo er ihn abgestellt hatte.
    Nachdem er das Fahrzeug umkreist und die Reifen intakt vorgefunden hatte, setzte er sich ans Lenkrad und schlug dem Unwetter die Tür vor der Nase zu.
    Schon beim ersten Drehen des Zündschlüssels sprang der Motor an. Das hatte Krait nicht erwartet.
    Die Anzeigen am Armaturenbrett leuchteten auf, aber nicht so vollständig wie vorher. Carrier hatte den GPS-Bildschirm zerschossen.
    Natürlich hätte Krait eine verschlüsselte Textnachricht senden können, um seine Lage zu erklären. Dann hätte das Team, das zu seiner technischen Unterstützung bereitstand, an seiner Stelle die Bewegung von Carriers Fahrzeug überwacht, damit er es mit leichter Verzögerung weiterverfolgen konnte.
    Vergebliche Liebesmüh. Die beiden hatten den Wagen nur benutzt, um aus dem Viertel zu entkommen. Bestimmt stellten sie ihn in wenigen Minuten ab, um in irgendein anderes Fahrzeug umzusteigen, das sie auftrieben.
    Das bedeutete keineswegs, dass Kraits Mission gescheitert war. Sie hatte gerade erst begonnen.
    Ein unbedeutenderer Mensch hätte sich womöglich seinen Emotionen hingegeben, dem Zorn, der Verzweiflung, der Furcht. Krait erlaubte sich nichts dergleichen.

    Die Demütigung, die er verspürt hatte, als ihm klarwurde, was geschehen war, hatte er bereits überwunden. Ohnehin war Demütigung nicht der richtige Ausdruck. Krait hatte nichts Schlimmeres gespürt als leichten Ärger.
    Er fuhr um die Verkehrsinsel herum und verließ das Rondell.
    In Wahrheit war auch das Wort Ärger zu stark, um zu beschreiben, was er im Augenblick der Erkenntnis vor den Spiegeln gespürt

Weitere Kostenlose Bücher