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Blutvertrag

Blutvertrag

Titel: Blutvertrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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zu schichten, ein Heft mit Kreuzworträtseln zu lösen und mit Freunden beim Abendessen zu sitzen, hatte die Erschöpfung sich verflüchtigt. In diesem unbedeutenderen Leben, das keiner großartigen Unternehmung mehr verpflichtet war, gab es nichts mehr, was ihn hätte desillusionieren können. Keine der Herausforderungen, die es noch gab, war groß genug, um Zweifel zu wecken und das Gefühl von Vergeblichkeit hervorzurufen.
    Als er am Abend zuvor in der Kneipe gesessen hatte, da hatten seine Jahre im selbst gewählten Exil plötzlich ein Ende gefunden. Er begriff nicht vollständig, wieso er sich entschieden hatte, die Mauern niederzureißen, hinter denen er sich so bequem eingerichtet hatte, aber auf jeden Fall hatte das Foto von Linda etwas damit zu tun.
    Es war nicht so, dass er sich auf den ersten Blick in sie verliebt hätte. Schließlich hatte er seine Zeit nicht damit verbracht, nach einer Frau wie Linda zu suchen. Anfangs
war ihm ihr Gesicht zwar attraktiv vorgekommen, aber es hatte ihn nicht verzaubert. Die Gefühle, die er jetzt für sie hegte, hätte er sich damals überhaupt nicht vorstellen können.
    Vielleicht verhielt es sich so: Der Name einer Person, die ermordet werden sollte, war einfach irgendein Name, aber durch das Gesicht wurde der Preis der Gewalttat konkret, denn wenn man den Mut hatte, wirklich hinzuschauen, dann konnte man in jedem Gesicht seine eigene Verwundbarkeit erkennen.
    Als Linda wieder in die Küche trat, sah sie ganz und gar nicht verwundbar aus. Sie trug Bluejeans und ein schwarzes T-Shirt, offenbar Sachen aus ihrer Reisetasche.
    »Im Wohnzimmer ist ein offener Gaskamin«, sagte sie und griff nach Tims nassen Arbeitsstiefeln. »Wenn ich unsere Schuhe davorstelle, trocknen sie sicher rasch, und während wir darauf warten, könnten wir schnell etwas essen.«
    Hinter den Fenstern war grau und matt die Dämmerung angebrochen. Der Wolkenbruch hatte sich zu einem Nieseln abgeschwächt.
    Als Linda aus dem Wohnzimmer zurückkam, sagte sie: »Weißt du was? Du siehst glücklicher aus, als es angesichts unserer Lage vernünftig wäre.«

38
    Mit seiner hohen Stirn, den buschigen weißen Augenbrauen, dem kantigen Kiefer und der wettergegerbten Haut sah der Mann, der nach Cynthia suchte, wie ein Schiffskapitän aus einem härteren Jahrhundert aus. Solche Typen hatten früher weiße Wale gejagt, erlegt und zerstückelt, um mit einem Schiff voller Tran und Ambra in den Hafen zurückzukehren.
    Er blieb an der Schwelle zur Küche stehen und sah Krait, der am Tisch saß, stirnrunzelnd an. »Wer sind Sie?«, fragte er geradeheraus.
    »Rudyard Kipling. Und Sie sind bestimmt Malcolm.«
    »Rudyard Kipling – das ist doch ein toter Schriftsteller.«
    »Genau. Ich wurde nach ihm benannt, und ich mag seine Werke gar nicht, bloß ein oder zwei Gedichte.«
    Vor Argwohn hatten die beiden buschigen Augenbrauen sich zu einer zusammengezogen. »Was tun Sie hier?«
    »Britt und James haben mich eingeladen. Wir kennen uns über Judi und Frankie, mit denen wir alle sehr befreundet sind.«
    »Judi und Frankie sind in Paris.«
    »Ich sollte die beiden eigentlich begleiten, musste aber leider absagen. Haben Sie schon gefrühstückt, Malcolm?«
    »Wo ist Cynthia?«
    »Cynthia und ich, wir haben vorübergehend alle Furcht vor Kohlenhydraten über Bord geworfen. Wir schlemmen heiße Schokolade und Rosinenbrot mit Butter. Mit Ihrer Frau kann man sich wirklich wunderbar unterhalten!«

    Krait musste den alten Mann in die Küche locken. Die Pistole lag auf dem Stuhl, wo Cynthia sie nicht gesehen hatte. Malcolm konnte sie aus seiner jetzigen Perspektive ebenso wenig sehen. Griff Krait jedoch danach, so machte der ohnehin argwöhnische Alte womöglich kehrt, und wenn er die Waffe sah, nahm er mit Sicherheit Reißaus.
    Finster stierte Malcolm auf den Tisch, wo Cynthias Teller und Becher standen. »Und wo ist sie?«, fragte er.
    »Ein dringendes Bedürfnis«, sagte Krait und deutete auf die geschlossene Tür der Toilette. »Wir haben gerade darüber gesprochen, dass Cynthia sich für die Rettung der Adler und Wale engagiert. Das finde ich äußerst bewundernswert. «
    »Wie bitte?«
    »Adler und Wale. Und gegen Hunger in Afrika. Bestimmt sind Sie stolz, eine so großherzige Frau zu haben.«
    »Brittany und Jim haben nie was von einem Rudyard Kipling erzählt.«
    »Ehrlich gesagt, bin ich kein besonders interessanter Zeitgenosse, Malcolm. Über Judi und Frankie könnte man tausend Geschichten erzählen, über mich

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