Blutwahn - Der Schrecken am See
auf der Nase.
„Wer...wer sind Sie“, stammelte der Alte.
„Haben Sie vielleicht ihre zwei Handlanger erwartet?“, erwiderte Jana. „Los, aussteigen!“
Die Lippen und die Hände des alten Mannes begannen zu zittern.
„Wie denn? Ich kann doch nicht laufen.“
Jana ging hinter das Auto und öffnete die Hecktür. Sie sah sich um und fand eine ausklappbare Auffahrrampe aus Aluminium.
„Los jetzt.“ Jana ließ die Rampe herunter.
„Oh Gott...jetzt ist alles verloren“, sagte der Mann, wendete seinen Rollstuhl und fuhr aus dem Wagen.
Jana schloss die Türen und schob ihn über den Rasen bis zur Terrasse. Sie war durcheinander, hatte sie doch eigentlich irgendeinen fiesen, schmierigen Typen erwartet und nicht einen so gebrechlichen alten Mann, der aussah als hätte man ihn vom allabendlichen, gemütlichen Kartenspielen im Seniorenheim entführt. Aber nach dem Aussehen sollte man niemanden beurteilen, ermahnte sie sich, immerhin war der Kerl zusammen mit dem Typen hierher gefahren, der sie umbringen wollte. Der den Befehl hatte, niemanden lebend aus dem Haus kommen zu lassen. Und von wem anderen, als diesem Professor, sollte er diese Anweisung wohl haben? Sie rollte den Mann ins Haus hinein.
„Um Himmels Willen“, entfuhr es ihm, als er das Blutbad im Wohnzimmer und die Leichen sah. „Ganz genau“, sagte Jana. „Es wird Zeit, dass Sie mir ein paar Fragen beantworten.“
29
Jana schob den Mann an den Couchtisch heran und setzte sich ihm gegenüber auf die Lederpolster. Irgendwie fand sie die Szenerie bizarr:
Es wirkte fast so, als würden sich Opa und Enkeltochter zum heimeligen Kaffeekränzchen zusammen setzen, mit dem kleinen Unterschied, dass sie eine Maschinenpistole in der Hand hatte und neben dem Alten ein Toter auf dem Boden in einer Blutlache vor sich hin vergammelte. Nicht zu vergessen war auch die Kleinigkeit, dass Zombieleichen den Flur pflasterten. „Also...“, fing Jana an und blickte dem Mann entschlossen in die Augen.
„Wer sind Sie? Was machen Sie hier? Was sind das für Kreaturen?“
Der alte Mann erwiderte ihren Blick, seine Hände zitterten noch immer.
„Ich will Antworten!“, setzte Jana nach. „Glauben Sie nicht, dass ich nicht bereit wäre die Waffe einzusetzen, weil Sie ein alter Mann sind. Ich bin heute hier durch die Hölle gegangen, habe meinen Freund verloren, der sich in eine dieser...Bestien verwandelt hat.“
Jana konnte ein leises Schluchzen jetzt nicht mehr unterdrücken. Der Mann senkte den Blick und schaute auf seine alten Hände, die er vor sich auf dem Schoß gefaltet hatte.
„Mein Name ist Adrian Goldbach und in meinem Alter hat man keine sonderliche Angst mehr vor dem Sterben, junges Fräulein.“ Der Professor seufzte resigniert. „Aber es ist nun sowieso egal, deswegen will ich Ihnen sagen, was Sie wissen wollen. Ich bin, beziehungsweise war, Arzt, genauer gesagt Internist.“
Jana blickte den Mann nur an und wartete, dass er fortfuhr.
„Kommen Sie hier aus der Gegend?“ fragte Adrian.
„Nein, wir...ich komme aus Hamburg.“
„Vielleicht haben Sie sich im Vorfeld Ihres Aufenthalts hier aber ja über den Alatsee informiert und die Gerüchte und Sagen vernommen. Unterwasserungeheuer, verwunschene Frauen, das Sterben von großen Mengen Fischen, ein Goldschatz der Deutschen Reichsbank, der sich im oder am See befinden soll?“
„Kommen Sie zur Sache!“
„Nun, kein Gerücht ist, dass die Nationalsozialisten während des Zweiten Weltkriegs ein Lager am See hatten. Das alles war militärisches Sperrgebiet hier. Luftwaffentechniker führten Versuche unter Wasser mit Modellen der Focke-Wulf Ta 154 durch. Das ist allgemein bekannt. Nicht bekannt dagegen ist, dass die Hauptaktivitäten am See sich nicht um irgendwelche Unterwasserversuche oder Flugzeuge drehten, sondern um ganz andere Dinge.“
„Und zwar? Und was haben Sie damit zu tun?“
„Ab 1943 gab es hier eine Versuchsstation. Es wurden Tuberkulose- und Fleckenfieberexperimente sowie Versuche mit dem Kampfstoff Senfgas realisiert. Mein Vater, Arnold Goldbach, war der leitende Arzt hier am Alatsee.“
Eine Welle der Wut begann in Jana hochzusteigen. „Diese Versuche wurden an Menschen durchgeführt, hab ich recht?“
Adrian nickte. „Ganz genau. Die Laster der Nationalsozialisten, die auf ihrem Weg zum See von den Einheimischen beobachtet wurden, enthielten nicht etwa Gold wie es in den Legenden heißt, sondern Nachschub an Probanden.“
„Widerlich“, stieß Jana hervor.
„Das sollte man
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