Blutwelt
können.
Justine streichelte sie wieder. Diesmal blieb es nicht nur beim Gesicht der Frau. Ihre Hand fuhr weiter nach unten, umschmeichelte zuerst die Schulter und setzte ihren Weg fort, bis sie die rechte Brust erreicht hatte und damit spielte.
Dunja bewegte sich. Es war mehr ein Versuch. Sie wollte den Kopf zurücklegen, aber die andere Hand hielt sie fest.
»Nein«, flüsterte die Cavallo, »hier bestimme ich, was zu tun ist. Denk daran, dass ich von nun an dein Wille bin. Du kommst aus der Klemme nicht mehr weg. Ich bin du, und du bist bald ich. Wir werden Schwestern im Blute sein.« Weil ihr der Vergleich so gut gefiel, warf sie den Kopf zurück und lachte. Wie ein hartes Stakkato fuhr das Gelächter über die Lichtung hinweg und verfing sich schließlich in den Zweigen der Nadelbäume, wo es auch verhallte.
Dunja schaffte es, die ersten Worte zu finden. »Bitte«, sagte sie mit leiser Stimme, »ich weiß nicht, was das soll. Ich... ich...«
Die Cavallo unterbrach sie. »Keine Sorge, meine Liebe, du wirst es bald erleben, denn ich habe dir in meiner Blutwelt eine besondere Position zugedacht.«
»Wieso Blutwelt?«
»Das wirst du gleich merken. Justine löste die linke Hand von der Brust und ließ sie in die Höhe wandern. Wenig später lagen die beiden Hände auf den Wangen der Dunkelhaarigen. Die Daumen waren in die Höhe gestellt und berührten leicht die Ohren.
»Was... was... willst du?«
Sie hatte noch immer nicht begriffen, was Justine allerdings nicht störte, denn sie zeigte eine große Geduld. »Ich will dein Blut, das müsstest du doch längst wissen. Ich will das Band zwischen uns knüpfen. Ich werde dein Blut trinken und dich zu einer Anderen machen.« Nach diesen Worten griff sie mit der rechten Hand in das Haar der Frau. Ein kurzer Ruck reichte aus, um den Kopf nach hinten zu zerren. Er lag jetzt schräg im Nacken, und die Haut am Hals hatte sich gespannt, so dass sie bereit war für den tiefen Biss.
Der gefesselte Frantisek Marek sah die beiden Frauen im Profil. Justine Cavallo hatte ihren Mund bereits geöffnet. So konnte sie den Biss sofort ansetzen.
Noch hielt sie inne.
Noch sorgte sie für ein Ansteigen der Spannung.
Dunja zitterte in ihrem Griff. Sie versuchte auch, zu protestieren, doch was über ihre Lippen drang, das war nur ein unverständliches Geflüster und nicht mehr. Worte waren nicht zu verstehen, zumindest nicht für Marek.
Justine verhielt sich bewusst langsam. Der Pfähler sollte alles genau mitbekommen, und er würde dabei seine eigene Hilflosigkeit erleben. Es musste für ihn der Terror überhaupt sein, erkennen zu müssen, was die Cavallo mit ihrem Opfer anstellte. Ausgerechnet er, der Vampirjäger, der die Blutsauger bis aufs Blut hasste, dem durch sie die Frau genommen worden war, er war dazu verdammt, untätig zu sein. So etwas konnte einen Menschen schon an den Rand des Wahnsinns treiben.
Aber Marek blieb ruhig. Sehr ruhig sogar. Er wunderte sich über sich selbst und versuchte nicht mal, die Blutsaugerin durch irgendwelche Worte aufzuhalten.
Die blonde Bestie biss noch nicht zu. Sie drehte den Kopf zu Marek hin. Hohn schwang in ihren Worten mit, als sie sagte: »Wie fühlst du dich denn jetzt?«
Marek schwieg.
Das wieder amüsierte Justine. »Dir hat es die Sprache verschlagen, nicht wahr? Muss auch ein verdammtes Gefühl sein, so hilflos zu sein. Aber mach dir nichts draus. Im Endeffekt sind wir immer die Stärkeren. Wir können überleben, ihr Menschen nicht.«
»Ja, ja!«, brach es aus ihm hervor. »Ihr könnt überleben. Eben wie die Ratten.«
»Nein, keine Ratten. Wir sind Wölfe, verstehst du? Wir sind einfach wie die Wölfe, denn auch sie haben schon existiert, bevor es die Menschen gab.«
Marek sagte nichts mehr. Ihr eine Antwort zu geben, wäre reine Zeitvergeudung gewesen. Er starrte nur nach vorn und bewegte nicht mal seine Augen. Bei ihm war alles zerbrochen, alles dahin. Es gab keine Chance für ihn, die dunkelhaarige Dunja zu retten, die bald als blutleere Hülle durch die Welt wandern würde.
Von Gundula war nichts zu sehen. Aber Marek ging davon aus, dass auch sie zu der Cavallo gehörte, nur eben nicht als Blutsaugerin, denn das hätte er gemerkt.
Dann biss sie zu!
Er sah den kurzen und heftigen Ruck, mit dem sie ihren Kopf nach vorn bewegte. Den Mund hielt sie weit geöffnet, und die Zähne stachen aus dem Oberkiefer wie zwei Pfeilspitzen hervor.
Dann hieben sie in die Haut!
Marek hörte noch den leisen Schrei der dunkelhaarigen
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