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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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Plätschern des Wassers übertönte sämtliche anderen Geräusche. Die leise klassische Musik im Hintergrund. Den Verkehrslärm von der Straße. Margit und Christian, die sich im Wohnzimmer einsilbig unterhielten. Sie spülte Soße und Essensreste ins Becken, wo sie sich in einer bräunlichen Grütze rund um den Abfluss sammelten. Plötzlich spürte sie etwas dicht hinter sich, heißen Atem an ihrem Hals. Irgendjemand atmete schwer. Sie wollte sich umdrehen, doch es gelang ihr nur halb; gierige Hände suchten nach ihren Brüsten.
    »Christian?«, flüsterte sie, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    »Christian? Für so etwas fehlen ihm doch die Eier!« Die Stimme geiferte vor Erregung. Eine Hand bewegte sich über ihren Bauch, vergrub sich unter ihrem Rock.
    Es tat weh. Brechreiz stieg ihr den Hals hinauf. Wie versteinert stand sie an dem Porzellanspülbecken aus Frankreich, während Ditlevs feiste Blumenkohlnase sich an ihrem Hals rieb. Ein Ausschnitt des Wohnzimmers spiegelte sich in dem dunklen Fenster. Sie wagte nichts zu sagen, konnte kaum Atem holen. Warum kam denn niemand?
    In diesem Moment trat Christian in die Küche. In einer stummen Bitte um Hilfe riss sie die Augen auf. Er blieb an der Tür stehen, als er sie erblickte. Sein Blick war leer. Die Kälte durchbohrte sie wie ein Messer aus Eis.
    Margit tauchte hinter ihm auf, den Arm voller Geschirr. Sie schlug den Blick nieder, trippelte durch die Küche. Stellte die Teller neben Maria und ihren Mann.
    »Soll ich zum Nachtisch Kaffee kochen?« Sie ging wieder hinaus. Ditlev ließ sie los. Das gegelte Haar war in Unordnung geraten. Er strich es mit einer Hand zurück, richtete mit der anderen seinen Hosenlatz. Ein einzelner Speicheltropfen hing ihm im Mundwinkel. Er warf ihr einen geilen Blick zu.
    Dann drehte er sich um, ging auf seinen Sohn zu und schlug ihm auf die Schulter.
    »Ich habe einen Pomerol mit hochgebracht. 2001. Château L ’Evangile.«
    Christian schaute sie nicht einmal an. Er ließ sich von seinem Vater ins Wohnzimmer führen, ohne zu protestieren.

43
    »Ich gehe Zigaretten kaufen.« Lars stieg aus und reichte ihr die Schlüssel. »Dauert nur einen Augenblick.«
    Sanne nickte und schloss den Wagen ab. Lars lief zum Laden in der Hausnummer 4.
    Der junge Mann stand wieder hinter der Ladentheke.
    »Zweimal zwanzig Blå King’s?« Die Pickel auf seinem Kinn zitterten.
    Lars nickte. Dann fielen ihm die leeren Schränke seiner Wohnung ein.
    »Du … habt ihr Wein?«
    »Ja, schon, aber ich denke, da solltest du lieber zu Føtex gehen. Wenn du die da draußen mit raufnehmen willst, ist unser Zeug nicht gut genug, fürchte ich.«
    Lars’ Blick flackerte. Sanne stand auf dem Bürgersteig und winkte ihm zu.
    »So ist das nicht … Ach, egal. Gib mir die beste Flasche, die ihr habt.«
    »Aber gern. Das dürfte diese hier sein.« Neben die beiden Zigarettenschachteln stellte der Bursche eine Flasche auf den Tresen. Lars bezahlte, ohne sich das Etikett anzusehen.
    Auf der Straße zog Sanne eine Augenbraue hoch.
    »Wein? Für uns?«
    »Wenn du magst? Ich kann den Wagen morgen zum Präsidium bringen.« Er wurde rot. »Ich wollte nicht …«
    Sie lachte. Es gefiel ihm, wenn sie lachte.
    »Na gut, ein Glas.«
    Sie gingen die Treppe hinauf. Lars steckte den Schlüssel ins Schloss, sprach ein leises Gebet, dass Maria die Wohnung nicht im Vollchaos hinterlassen hatte, und schloss auf.
    »Eigentlich bin ich gerade erst eingezogen«, entschuldigte er sich, zum Glück schien Maria aber keine Katastrophen hinterlassen zu haben. Badezimmer und Küche sahen einigermaßen manierlich aus. Sanne setzte sich aufs Sofa. Lars holte zwei Gläser und öffnete die Flasche. Sie sah sich im Wohnzimmer um.
    »Und wie läuft’s? Mit der Scheidung, meine ich?«
    »Na ja, wir reden so wenig wie möglich miteinander. Wahrscheinlich ist das am besten.«
    »Und Ulrik?«
    »Ich gehe ihm aus dem Weg.« Er schenkte ein. Überlegte einen Moment, ob er von dem Problem mit dem Hausverkauf erzählen sollte. Aber nur wenige Themen waren langweiliger als Hausverkäufe und Verkehrswert. Stattdessen hob er sein Glas.
    »Prost.«
    »Prost.« Sie tranken.
    Sanne verzog das Gesicht. »Ist ja nicht gerade ein Château L ’Evangile.«
    »Ein was?«
    »Château L ’Evangile. Ein Wein aus Pomerol. Bordeaux. Er wächst in der Nähe vom Petrus, wenn du den kennst?«
    Lars schüttelte den Kopf. Sanne trank noch einen Schluck.
    »So schlimm ist er gar nicht.« Dann krümmte sie sich vor

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