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Blutwind

Blutwind

Titel: Blutwind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Melander
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leerte es. Griff nach der Flasche.
    »Mehr Château L ’Evangile?«
    »Spinner.« Sie hielt ihm ihr Glas hin. »Und wieso bist du dann zur Polizei gegangen?«
    Lars goss ihnen beiden ein, nahm sein Glas. Ließ den Inhalt kreisen.
    »Tja, wieso eigentlich? Nach den Auseinandersetzungen um den Musikclub Allotria im Januar 1983 wurde alles gewalttätiger. Dort wurden Kloschüsseln und Molotow-Cocktails aus dem Fenster geworfen. Dann bekamen wir ein Jugendhaus. Aber wir mussten ja auch etwas zum Wohnen finden, und so eine Hausbesetzung erfordert schon einen ziemlichen persönlichen Einsatz. Jedenfalls zog ich mich aus der Szene zurück, ich hatte angefangen, Musik zu machen, und verbrachte viel Zeit damit.« Lars machte eine beinahe unmerkliche Pause. In ihm öffnete sich eine Tür. Er warf sie sofort wieder zu und lachte, bevor er fortfuhr: »Ich ging nach New York, wohnte ein Jahr bei meinem Vater und besuchte drüben die Highschool. Als ich wieder nach Hause kam, ging ich nach dem Gymnasium zur Musterung, ich dachte, ich würde sowieso durchfallen. Aber ich wurde genommen, ich konnte nichts machen.«
    »Du hättest doch verweigern können?«
    »Das hat meine Mutter auch gesagt, sie hat getobt. Aber ich hatte genug von diesem ganzen alternativen Milieu. Es war mir zu verkrustet. Das Militär bot einen bequemen Ausweg, einen clean cut . Und als ich meine Wehrpflicht absolviert hatte, lag die Polizei irgendwie nahe.«
    Sanne nickte, zog die Beine an sich und sah ihn über ihr Glas hinweg an.
    »Gibst du mir eine Zigarette?«
    Lars zündete sie ihr an. Zwischen ihnen pulsierte die Glut in dem dunklen Zimmer und ließ Sannes Augen aufleuchten. Ihre Pupillen waren groß, brannten sich in seine.
    Eine S -Bahn fuhr in die Station. Das Rauschen der Autos auf der Nørrebrogade. Unten wurde die Tür vom Ring-Café geöffnet, Geschrei und Flaschenklirren stieg die Fassade hinauf. Sie saßen jetzt auf dem niedrigen Sofa dicht beieinander.
    »Was war mit der Arbeit? Im Auto …«
    Sanne schüttelte den Kopf, legte einen Finger an die Lippen.
    »Psst. Nicht jetzt.«
    Er sah zu, beinahe in Trance. Ihr Gesicht näherte sich. Zigarettenrauch stieg aus ihrer Hand, irgendwo weit entfernt. Die Haustür klappte am Treppenaufgang, schleppende Schritte auf der Treppe. Dunkle Augen mit etwas zu viel Make-up brannten sich in seine, eine Zunge glitt vorsichtig über die Lippen. Er wollte gerade etwas sagen, als ihre Lippen ihn berührten. Ein Streifen von Haut und Licht. Sein Kopf begann, im Dreivierteltakt zu tanzen. Er öffnete den Mund, erwiderte den Kuss. Schloss die Augen.
    Im Flur wurde die Wohnungstür zugeschlagen, ein Schluchzen ging durch die Wohnung. Sanne fuhr auf dem Sofa zurück, ließ die Zigarette fallen. Beide hockten sich auf den Boden, suchten nach der heruntergefallenen Kippe. Maria trat ins Wohnzimmer, das Gesicht verschmiert von verwischtem Make-up. Sie zitterte.
    »Maria, was ist los?« Lars sprang auf und hatte die Arme um sie gelegt, bevor er die Frage zu Ende ausgesprochen hatte. Sanne hatte ihre Zigarette gefunden, setzte sich wieder in die Sofaecke und strich ihr Haar zurück. Maria presste sich an ihn.
    »Was ist passiert?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Halt mich einfach fest, Papa.«
    Während er Marias bebenden Körper an sich drückte, schmeckte er noch immer den Kuss auf seinen Lippen. Süßlich. Leicht. Was war passiert?
    Sanne stand auf, griff nach ihrer Tasche und überprüfte mit nervösen Bewegungen den Inhalt.
    »Ich muss gehen …« Sie nickte ihnen zu und verschwand im Eingang.
    »Wir sehen uns morgen!«, rief er ihr nach. Die Tür fiel ins Schloss, und er blieb mit seiner Tochter in den Armen stehen.
    Ein paar Minuten vergingen. Niemand sagte ein Wort. Dann hob er ihren Kopf und versuchte, ihr in die Augen zu sehen.
    »Wolltest du den Abend nicht bei Christian verbringen?«
    Marias Schultern zuckten. Tränen vermischten sich mit Rotz. Er wiegte sie hin und her, bis sie sich beruhigt hatte. Dann legte er sie aufs Sofa und setzte sich daneben. Strich ihr über die Haare.
    »So. Jetzt wisch dir die Tränen ab. Was ist passiert?«
    Maria schüttelte den Kopf, Rotz lief ihr aus der Nase. Lars stand auf und holte eine Küchenrolle. Als er zurückkam, schaute sie von den beiden halbvollen Gläsern zu ihm auf.
    »Was habt ihr gemacht?«
    »Über den Dienst geredet.« Er reichte ihr die Küchenrolle.
    »Bei Rotwein? Also ehrlich, Papa …«
    »Na, na.« Jetzt schüttelte er den Kopf. »Eine Tochter in

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