Blutwurstblues. Ein Mick-Brisgau-Krimi: Der große Roman mit dem Team von Der letzte Bulle (German Edition)
und Li-Zi sich wieder vertragen hatten. »Oh, oh, oh, oho …«, erklang es wieder, und der sich ständig wiederholende Refrain kündigte das Ende des Songs an. »Oh, oh, oh, oho – oh, oh, oh, oho …« Parallel wurde den Bierhumpen ein letzter, besonders heftiger Stoß versetzt, dann schwangen sie mit den Schlussakkorden sanft aus. Uschi lächelte erleichtert ihren Gästen zu.
Einen ähnlichen Ausdruck hatte auch Micks Gesicht, als er sich im Bett sitzend eine Zigarette anzündete. Li-Zi, die neben ihm saß, wollte auch eine. Mick ließ sie an seiner ziehen. Die Zigarette war nicht das Einzige, was sie teilten. Gleiches galt für das Bettlaken, das ihre verschwitzten Körper von der Hüfte an abwärts bedeckte.
»Eines hast du mir aber noch nicht verraten«, wandte sich Mick ernst an Li-Zi. »In welcher Sache ermittelst du gegen Akuma?«
Li-Zi musterte Mick von der Seite. Entweder irritierte sie, dass er so schnell wieder »sachlich« geworden war, oder sie zögerte, ihn einzuweihen.
»Menschenhandel«, sagte sie schließlich.
»Menschenhandel?« Mick sah sie zweifelnd an. »Ich denk, diese Agentur versorgt die Botschaft und Konsulate mit Personal.«
Li-Zi nickte. »Das ist das offizielle Betätigungsfeld der ›Chinese Personal Service Agency‹. Aber daneben betreibt Akuma ein weitaus lukrativeres Geschäft.«
Mick richtete sich ein Stück weiter auf. Jetzt wurde es interessant. Li-Zi suchte derweil nach einem Anfang, wie sie Mick die komplizierten Zusammenhänge begreifbar machen konnte.
»Es ist so. Hier in den Medien hört man immer nur von dem Boomland China. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Städte boomen. In den ländlichen Provinzen sind die Menschen arm, wenig gebildet und haben keine Perspektive. Besonders die Jüngeren. Umso verlockender ist da natürlich die Aussicht auf einen gut bezahlten Job im Ausland, der keine weitere Qualifikation erfordert.«
Mick verstand. »Putzen zum Beispiel.«
»Eine Anstellung in einer Botschaft, und dann auch noch in Deutschland, ist für die meisten jungen Mädchen ein Traum. Und zwar einer, den Akuma sich gut bezahlen lässt. Um sich überhaupt erst mal für das ›Programm‹ zu qualifizieren, müssen die Familien sich bei ihm verschulden. Im Regelfall sind da bis zu 4000 Euro fällig. Angeblich eine Pauschale für die Verwaltungskosten. Visabeschaffung und so weiter. In Wirklichkeit steckt Akuma das Geld aber in die eigene Tasche.«
Mick zog nachdenklich an seiner Zigarette. »Verstehe.«
»Ne, tust du nicht.« Li-Zi schüttelte den Kopf. »Das Geld, das er den Mädchen am Anfang abknöpft, dient nur als Druckmittel, den eigentlichen … wie nennt ihr das … Reibach macht Akuma erst später. Die meisten jungen Frauen werden nämlich nie in einer Botschaft oder einem Konsulat eingesetzt, sondern nur mit Botschaftspapieren eingeschleust. In Deutschland wird ihnen erst mal der Pass und alles abgenommen, und man vermittelt sie als Putzkräfte in ganz normale Haushalte, wo man sie für einen Hungerlohn arbeiten lässt.«
»Wie jetzt? Hier in Deutschland?!«
»Hier in Deutschland«, bestätigte Li-Zi. »Die meisten Familien hier kriegen aber gar nicht mit, wie die Mädchen ausgebeutet werden, da sie direkt mit der Agentur abrechnen und da durchaus marktgängige Preise bezahlen.«
In Mick arbeitete es. »Und daher der Gewinn für Akuma. Die Mädchen kriegen so gut wie nichts, und er macht sich die Taschen voll. Okay, das geht aber nur so lange gut, bis eine der Frauen mal den Mund aufmacht.«
Li-Zi lächelte bitter. »Die werden sich hüten, weil ihre Familien Akuma ja immer noch Geld schulden. Geld, das sie nicht haben und das sie ja eigentlich in Deutschland verdienen wollten, um ihre Familien zu unterstützen. Na ja. Und wie die Dinge laufen, wenn doch mal ein Mädchen in die Fänge der deutschen Behörden geraten sollte, hast du ja gesehen. Akuma ist mit seinem Diplomatenstatus sowieso unantastbar, und alles, was passiert, ist, dass die Frau ausgewiesen wird. Zurück in China, schuldet sie Akumas Leuten aber immer noch das Geld, das sie dann wahrscheinlich in irgendeinem Bordell abarbeiten kann.«
Mick hielt es nicht länger im Bett. Er stand auf und warf sich sein Hemd über. Wohin der Aktionismus führen sollte, wusste er selbst noch nicht. Was er aber wusste, war: »Das Ganze grenzt doch schon an Sklaverei. Die Mädchen sind ja quasi vogelfrei. Und wenn die Deutschen da nichts machen können, müsst halt ihr Chinesen ran.«
Li-Zi
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