Blutzeichen: Deadly Sins 2 - Roman (German Edition)
Arbeitszimmer.«
Rafe nahm Moiras Hand, sodass sie wohl oder übel Jackson durch das Haus zu seinem Arbeitszimmer hinten folgen musste.
Nichts hatte sich verändert, wie sie feststellte. Die Kirche nicht, das Haus nicht, nicht einmal Jackson Moreno selbst. Als hätte die Zeit stillgestanden. Und so fühlte sich auch Moira genau wie vor vier Jahren, an jenem letzten Tag, bevor sie nach Olivet zurückgegangen war und nachdem sie Jackson mitgeteilt hatte, dass seine Tochter für immer fort war: elend, unwürdig, eine Versagerin.
Jacksons Arbeitszimmer war klein, dunkel und maskulin. Der schlichte Schreibtisch verschwand beinahe inmitten der drei Bücherwände und der Berge von Akten; es war ein geordnetes Chaos. Das einzige Fenster ging hinaus zum Parkplatz und der Kirche dahinter.
»Darf ich Ihnen Kaffee oder Tee anbieten?«
»Nein danke«, antwortete Moira. »Wir können nicht lange bleiben.«
Jackson bedeutete ihnen, sich auf die kleine Couch zu setzen, während er seinen Schreibtischstuhl heranzog und sich ihnen gegenüber hinsetzte.
»Das kann ich mir vorstellen. Ich habe von den Vorkommnissen in Santa Louisa gehört.«
»Dann wissen Sie sicher auch, dass wir nur einen der Dämonen fangen konnten«, folgerte Rafe.
»Einzelheiten kenne ich natürlich nicht, denn der Orden gibt sich zu Recht zugeknöpft. Ich erfuhr allerdings von Pater Philips Tod und dass die sieben Todsünden freigelassen wurden. Man hat mich kontaktiert und gebeten, Augen und Ohren offenzuhalten.«
»Wir sind gekommen, weil Sie über die hiesigen Zirkel besser Bescheid wissen als irgendjemand sonst«, erläuterte Rafe. »Und wir haben Grund zu der Befürchtung, dass der Dämon Wollust sich in Los Angeles aufhält.«
»Bedauerlicherweise stimmt das. Aber wie in aller Welt sind Sie darauf gekommen? Mir ist bislang nichts zu Ohren gekommen, und ich höre mich sehr gründlich um.«
Moira zeigte ihm das Foto von George Ericksons Mal auf ihrem Handy. Jackson studierte es stirnrunzelnd, während Moira erklärte: »Das ist ein Dämonenmal. Es ist sehr detailliert und ungewöhnlich. Ähnliche Male wurden bei den Opfern gefunden, die der Dämon Neid infizierte. Drei Leichen sind bisher mit diesem Mal in der Gerichtsmedizin aufgetaucht, und alle drei hatten eine Verbindung zum Velocity, einem Nachtclub in …«
»Velocity?«, unterbrach Jackson sie erschrocken und gab ihr das Handy zurück. »In den Nachrichten kam etwas über Kent Galion, und es kursieren wilde Gerüchte. Ein Schock für uns alle. Denken Sie, dass er besessen war?«
Moira schüttelte den Kopf. »Wir glauben, dass keiner der toten Männer besessen war, sondern irgendwie von dem Dämon infiziert wurde.«
»Infiziert? Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Die meisten Dämonen bemächtigen sich ihrer Opfer, was die sieben Todsünden nicht nötig haben, weil sie körperlich sind«, erklärte Rafe. »Sie können einen Menschen in Besitz nehmen, müssen es aber nicht.«
»Und was bedeutet es, wenn sie jemanden infizieren?«
»Die Betroffenen verfallen dem Dämon durch bloßen Kontakt der jeweiligen Sünde«, antwortete Moira.
Jackson runzelte die Stirn. »Warum sind dann nicht alle von Wollust verzehrt? Oder von Gier? Oder von einer der anderen Sünden? Wenn es so funktioniert, müssten wir doch von einer Gewaltepidemie hören.«
Rafe klärte ihn auf. »Wir alle haben ein Gewissen, das bei manchen stärker ausgebildet ist als bei anderen. Wir wissen wenig über die Sieben, dafür eine Menge über die menschliche Natur. Unsere Schwächen können unsere persönlichen Dämonen wecken. Einige von uns haben beispielsweise einen natürlichen Hang zum Neid. Wir sind maßlos neidisch auf das, was andere besitzen und wir nicht. Doch unser Gewissen hilft uns, diese Sünde zu bändigen, und hindert uns daran, Leute zu be stehlen oder zu verletzen, um an deren Besitz zu gelangen. Und ein neidischer Mensch muss nicht zwangsläufig ein Problem mit der Wollust, Faulheit oder mit Stolz haben.«
Jackson nickte. »Ich verstehe. In meiner Gemeinde berate ich viele Leute. Die meisten von ihnen haben primitive Schwächen. Aber das beantwortet immer noch nicht meine Frage, warum nur so wenige betroffen sind.«
»Genau verstehen wir auch noch nicht, wie die Dämonen vorgehen, ob sie ihre Opfer körperlich berühren müssen oder wie frei sie überhaupt sind.«
»Frei?«
Moira erklärte: »Sie wurden mit einem uralten Zauber gerufen. Rafe unterbrach das Ritual, aber da waren sie schon befreit.
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