Blutzeichen
nicht erschießen, aber ich werde es tun!«, rief Beth in die Dunkelheit.
»Wie wollen Sie mich erschießen, wenn ich Ihre Waffe habe?«, fragte eine ruhige männliche Stimme.
Aus dem Spielzimmer tauchte ein Schatten auf und kam auf sie zu.
Beth schaltete das Licht am Wandschalter ein.
Der Flur war plötzlich hell erleuchtet, das Licht brannte ihr in den Augen und verlieh dem Schatten Farbe und Kontur.
Der Mann, der sich ihr näherte, hatte lange schwarze Haare, ein Gesicht, weißer als das einer Porzellanpuppe, und grinste sie mit roten Lippen an. Seine Stiefel hinterließen blutige Abdrücke auf dem Parkettboden. In seinem Gesicht waren Blutspritzer, Blut hatte seine Jeans dunkel verfärbt und klebte auf seinem langärmeligen schwarzen T-Shirt.
Starr vor Schreck sank Beth zu Boden.
Luther ging zu ihr hin, stellte sich über sie und sagte: »Ich habe ihren Kindern nichts angetan und werde es auch nicht tun, solange Sie mir gehorchen.«
Beth sah das Messer mit dem Elfenbeingriff in seiner Hand. Es war heute Nacht schon benutzt worden.
Jennas Tür ging auf. Das junge Mädchen steckte ihren Kopf raus.
»Alles in Ordnung, Kleine«, sagte Beth mit krächzender Stimme. »Bleib in deinem Zimmer.«
Luther drehte sich um und starrte den Teenager an.
»Gehorch deiner Mutter.«
»Warum tun Sie das?«, schrie Jenna.
»Geh in dein Zimmer!«, brüllte Beth.
»Was geschieht hier?«
»Geh in dein Zimmer!«
Jennas Tür wurde zugeschmissen und abgeschlossen.
Als Beth zu dem Angreifer aufschaute, sah sie, dass er sein Messer gegen einen Totschläger ausgetauscht hatte.
»Dreh dich um«, sagte er. »Ich muss deinen Hinterkopf sehen.«
»Warum?«
»Ich werde dir hiermit einen Schlag verpassen, möchte aber nicht dein Gesicht zerschmettern.«
»Lassen Sie meine Kinder in Ruhe.«
»Dreh deinen Kopf um.«
»Schwören Sie, dass Sie ihnen nichts antun – «
Luther packte sie bei den Haaren und schlug ihr auf den Hinterkopf.
14. Kapitel
Der offiziellen Website www.wafflehouse.com zufolge servieren die eintausenddreihundert Waffelrestaurants der Vereinigten Staaten in vierundzwanzig Stunden so viele Jimmy-Dean-Würstchen, dass sie aufeinander gestapelt einen Berg so hoch wie das Empire State Building ergeben würden. Und in einem Jahr so viele Bryan-Schinkenspeckstreifen, dass sie aneinander gereiht siebenmal die Strecke Atlanta – Los Angeles ergeben.
Luther erinnert sich an diese lustigen Fakten, während er in Statesville, North Carolina, die Ausfahrt Nr. 151 der I-40 nimmt. Obwohl es 4.13 Uhr morgens ist, sind zwei Läden geöffnet. Der nie schließende Wal-Mart auf seiner Seite der Unterführung und das wundervolle Waffelhaus – nach der Ampel links und zweihundert Meter die Straße entlang. Eine gelbe Leuchtreklame begrüßt ihn freundlich. Er lächelt. Er hat diese rauchgeschwängerte Atmosphäre länger nicht genossen.
Luther fährt auf den Parkplatz und schaltet seinen Chevrolet Impala, Baujahr 85, aus. Der Wagen stinkt nach Zwiebeln und ist auch noch heiß gelaufen, deshalb macht Luther sich Sorgen, ob er die restliche Reise durchhält. In Anbetracht seiner schlafenden Fracht wäre eine Autopanne eine ziemliche Katastrophe.
Eis hat verschlungene Muster auf die Windschutzscheibe des Autos neben ihm gezaubert, ein Spinnennetz aus Eiskristallen zieht sich über das Glas. Als er die zarten Kristalle berührt, durchfährt ihn ein Schauder und er registriert die frühmorgendliche Ruhe der Stadt. Von seinem momentanen Blickpunkt aus besteht die Welt aus Motels, Tankstellen, Fast-Food-Restaurants, dem Gebrumm der Autobahn und dem entfernten Leuchten dieses in einiger Entfernung auf einem Hügel gebauten Wal-Marts, der wie eine mittelalterliche Festung auf die Stadt herabschaut.
Luther geht als Erstes zur Toilette. Seine Arbeitskleidung liegt zwar in einem Müllbeutel auf dem Rücksitz, aber er hatte keine Gelegenheit, sich zu waschen. Seine Hände und sein Gesicht sind blutbesprenkelt und er schaut zu, wie sich das Wasser rosa färbt und in immer engeren Kreisen um den Abfluss läuft.
Selbst zu dieser nächtlichen Stunde herrscht im Waffelhaus Betrieb, das helle Licht scheint aus riesigen, von der Decke herabhängenden Kugeln durch die trüben Wolken aus Zigarettenqualm. Auf dem Grill brutzelt es ohne Unterlass und es riecht nach einer Mischung aus abgestandenem Kaffee, Rauch und häufig benutztem Fett.
Die Kellnerin schlurft zu Luthers Sitznische.
»Weißt du schon, was du willst, Süßer?«
Obwohl
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