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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blake Crouch
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bist du sicher geantwortet. Alles, was du über mich gehört hast, ist eine Lüge, doch letztlich würde sie nur die Angst auf diese Insel treiben. Sie musste von ganzem Herzen zwei Dinge gleichzeitig glauben: erstens, dass ich sie beim geringsten Widerstand sofort umbringen würde, und zweitens, dass sie dennoch eine Chance hatte, dies hier zu überleben.
    Daher hob ich die .45er, zielte zwischen die Sitze und drohte ihr fürchterliche Dinge an.

41. Kapitel
     
    Wir saßen auf einer Bank auf dem Schanzdeck. Ich legte meinen Arm um Violet und drückte sie, während Charlie Tatum sein Ausflugsboot vom Steg weg auf den Silver Lake manövrierte. Das Deck roch modrig und nach Fischinnereien.
    »Der Wind hat sich bereits gegen uns gedreht«, warnte er uns. »Es wird verdammt rau werden, wenn wir erst aus dem Hafen raus sind.«
    Der Silver Lake war leer. Ich sah die am Ufer aufgereihten Hotels und Pensionen, deren Schornsteine Rauchfahnen in die Luft wehten.
    Der Regen war stärker geworden.
    Einen Moment lang überlegte ich, ob ich verrückt geworden war, dann dachte ich nicht mehr darüber nach. Wir fuhren langsam um die Landspitze, dabei starrte ich über die enge Durchfahrt in den Sund, dessen Wasser vom heftigen Nordwind aufgewühlt wurde. Beim Verlassen des Hafens lehnte sich Charlie gegen die Pinne. Als das Boot einen Satz nach vorn ins offene Wasser machte, zeigte er auf Teach’s Hole, eine etwas entfernte Bucht, die der Pirat Edward Teach (auch bekannt als Blackbeard) bis zu seiner Enthauptung 1718 als Versteck benutzt hatte.
    Nachdem wir die Südspitze Ocracokes umrundet hatten, erreichten wir schließlich den Beginn der Meerenge, wo das Meer auf das eingeschlossene Wasser traf und für eine Reihe tödlicher Strudel und Strömungen sorgte. Wellen schlugen gegen das Boot, und das zerstäubende Wasser wusch die Schaumkronen hinweg. Wir waren nun der vollen Kraft des Nordostwinds ausgesetzt. Der Regen schlug mit solcher Wucht seitlich gegen den Plastikvorhang, dass wir nichts mehr von Ocracoke, dem Leuchtturm oder dem blauen Wasserturm sehen konnten, die nur ein paar Hundert Meter hinter uns lagen. Die heulende graue Masse hüllte alles ein und reduzierte unsere Welt auf ein kaltes, wütendes Meer.
    Das Boot ritt kurz auf einem Wellenkamm und wurde dann so heftig ins Wellental geschleudert, dass es uns beinah von den gepolsterten Sitzen riss. Charlie drehte sich zu uns um und schüttelte den Kopf.
    »Schlimmer, als ich dachte!«, schrie er über das Dröhnen des Motors hinweg. »Wir haben bei so einem Wetter hier draußen nichts zu suchen! Weiß nicht, ob ich anlegen kann!«
    Ich sah auf Violet hinunter. Ihr Poncho war durchweicht, ihre Hände kalt und rot. Sie starrte hinaus auf das Meer, wie es ihr befohlen worden war. Ihre Lippen bewegten sich. Ich fragte mich, ob sie wohl betete.
    Als ich sie freundlich drückte, schaute sie zu mir auf. So zerbrechlich.
    »Kalt?«, fragte ich. Sie nickte. Ich zog die Ärmel ihres Ponchos über ihre Hände und war drauf und dran, ihr zu sagen, dass sie in Sicherheit sei.
    Wir kämpften uns weiter durch die Dünung.
    Wellen türmten sich auf.
    Violet zitterte und ich blickte so erschrocken und lebendig, wie ich mich schon lange nicht mehr gefühlt hatte, nach vorn in die Sintflut und das kalte chaotische Nichts aus Sturm und Meer. Doch ich genoss den erhöhten Adrenalinspiegel keineswegs und hätte ihn jederzeit gegen die Langeweile und Einsamkeit der Yukon-Wildnis eingetauscht.
    Wir waren zwanzig Minuten auf dem Wasser, als plötzlich vor uns Portsmouth im grauen Nichts auftauchte. In der Nähe des Ufers standen hölzerne, längst verlassene Gebäude. Als ich die Geisterstadt im Regen ausmachen konnte und die verkrüppelten Kiefern sah, die sich im Wind wie eine Armee aus Verrückten wanden, wurde ich von einer Vorahnung erfüllt. Das Nordende der Insel sah völlig gespenstig aus. Auch wenn ich nichts über die Geschichte Portsmouths gewusst hätte, hätte ein Blick auf diese verlassenen Gebäude alles erzählt.
    Meine Furcht war spürbar.
    Ich wollte keinen Fuß auf diese Insel setzen.
    Sie war verdammt.

42. Kapitel
     
    Ich schob meinen Rucksack zu Charlie hinüber, trat auf das Schanzdeck und kletterte auf den Steg.
    Eine Windböe wehte auf und erstarb, als ich meinen Rucksack auf die Schultern hievte.
    »Ich halte euch für ganz schön bescheuert, dass ihr das hier tut«, sagte der alte Seemann, dem das Regenwasser über die Kapuze und das Gesicht hinab in den weißen Bart

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