Boardwalk Empire
haben. Der Schmuggel von Rum ist nicht mehr als eine Ordnungswidrigkeit«, führte Repetto aus.
Es war nicht der einzige Vorfall dieser Art. In den 20er-Jahren kam es immer wieder vor, dass die lokalen Behörden die Bundesbeamten bei der Durchsetzung der Prohibitionsgesetze behinderten.
Der Fluss von Alkohol stärkte das Image von Atlantic City auch bei Geschäftsleuten, die ihren Urlaub in der Stadt verbrachten. »Klar konnte man auch in New York oder Philly Schnaps kaufen, aber nur heimlich in Flüsterkneipen. Hier ging das in der Öffentlichkeit, und das machte uns zu einem beliebten Tagungsort«, erzählt Richard Jackson.
Oder wie es Nucky Johnson selbst formulierte: »Wir haben Whisky, Wein, Frauen, Musik und Spielautomaten. Ich streite es nicht ab und ich schäme mich auch nicht dafür. Wenn die Leute das nicht wollten, würden auch kein Geschäfte damit gemacht. Die bloße Existenz dieser Dinge beweist, dass die Leute sie haben wollen.«
Weil Atlantic City die Prohibition ignorierte, wurde es bald zu Amerikas Kongress-Hauptstadt. Das führte zum Bau des heute noch bestehenden Boardwalk Convention Centers , auch Convention Hall genannt. Sie macht heute nicht mehr viel her, aber bei ihrer Eröffnung im Jahr 1929 war sie das größte Gebäude ihrer Art auf der Welt. Sie galt als die modernste Tagungsstätte des Landes und kam den Bürgern der Stadt wie ein kleines Weltwunder vor. Die Halle wurde ohne Dachstreben und Pfeiler gebaut und ihr Dachstuhl hatte eine Spanne von hundert Metern. Für den Bau verwendete man mehrere Tausend Tonnen Stahl und 3 8 000 Kubikmeter Beton auf mehr als 2 8 000 Quadratmetern. Das Fundament lag acht Meter über dem höchsten Wasserstand und war mit 1 2 000 neun Meter langen Haken im Boden verankert. Kurz, sie war ein architektonisches Meisterwerk ihrer Zeit.
Mit dem Kongresszentrum bekannte sich Nucky endgültig zu einer zwölfmonatigen Hauptsaison. Man musste nicht Betriebswirt studiert haben, um den Erfolg der Einrichtung vorherzusagen. Nucky und Bürgermeister Edward Bader ließen das Gebäude unter ihrer persönlichen Aufsicht für 15 Millionen Dollar konstruieren. Die Bevölkerung hätte derartige Ausgaben vorher sicher nicht gebilligt, aber die Prohibition machte es möglich. Atlantic City wuchs und damit auch Nuckys Macht.
In der Stadt, in der Bereicherung und Vetternwirtschaft an der Tagesordnung waren, wollte jeder ein Stück vom Kuchen. Die Prohibition hatte das Wirtschaftswachstum immens beschleunigt, und dadurch verschärfte sich auch der Wettkampf um öffentliche Ämter. Die Stadtratswahlen von 1924 waren eine Schlüsselwahl und sollten die Politik der Stadt für die nächsten zwei Generationen beeinflussen.
Der Wahlkampf wurde erbittert von zwei republikanischen Lagern geführt. Das eine führte der ehemalige Bürgermeister Harry Bacharach an und das andere der amtierende Bürgermeister Edward Bader. Bacharach war während seiner Amtszeit 1916–1920 ein beliebter Politiker gewesen, verzichtete aber auf eine Wiederwahl und ebnete so den Weg für Bader, der sich während seiner Amtszeit viele Freunde machte. Als sich Bacharach zu einem Comeback entschloss, musste Nucky sich entscheiden. Die Rivalität zwischen Bader und Bacharach spaltete die Stadt, und auch Nucky war nicht in der Lage, eine Konfrontation der beiden Lager zu verhindern. Er spielte stattdessen ein Katz- und Mausspiel mit den Kandidaten und entzog ihnen wechselweise seine Unterstützung. Im Grunde mochte er beide und hätte mit jedem zusammenarbeiten können, aber am Ende traf er eine Vereinbarung mit Bader.
Nucky wusste, dass die Wahl knapp ausfallen würde, und suchte nach Stimmen außerhalb der Republikanischen Stammwähler. Die örtlichen Demokraten hatten zwar einen ersten Erfolg mit Woodrow Wilsons Wahl zum Gouverneur erzielt, waren dadurch aber kaum stärker geworden. Bei den Präsidentschaftswahlen von 1924 kamen sie gerade mal auf 2000 Stimmen in Atlantic County. Nucky wandte sich an den Bezirksvorsitzenden der Demokratischen Partei, Charles Lafferty, und bot seinen Leuten einen Platz in Baders Kabinett an. Auf Nuckys Initiative einigte man sich auf Harry Headly, und damit war das erste parteiübergreifende Wahlbündnis in der Geschichte Amerikas geschlossen. Headly war allerdings kein echter Demokrat, er war bis vor Kurzem Republikaner gewesen und nur für seine Kandidatur zu den Demokraten übergelaufen. Die Lafferty-Demokraten verhalfen Bader letztlich zum Sieg, trotz einiger
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