Boardwalk Empire
waren keine Seltenheit. Kein Wunder, dass Nucky bei Kellnern und beim Nachtklub-Personal so beliebt war, dass sie ihn sogar zu einem Ehrenmitglied ihrer Gewerkschaft machten und ihm den Gewerkschaftsausweis mit der Nummer 508 aushändigten.
Neben teuren Nachtklubs hielt sich Nucky auch gerne bei exklusiven Großveranstaltungen auf. Bei Boxweltmeisterschaftskämpfen saß er mit seinen Freunden direkt am Ring, und bei den Finalspielen der Baseballliga mietete er oft ganze Zuschauerblocks für seine Gäste. Wenn ihm ein Stück am Broadway gefiel, holte er schon mal das gesamte Ensemble auf seine Kosten für ein Wochenende nach Atlantic City.
Nuckys Großzügigkeit kannte keine Grenzen. Er besuchte leidenschaftlich gerne Benefizveranstaltungen, und wenn er gebeten wurde, Lose zu kaufen, erwarb er genau so viele, wie in seinen Hut passten. Auch bei Autos sparte er nicht. Ihm gehörten neben dem taubenblauen Rolls-Royce auch ein 16-Zylinder Cadillac, ein Lincoln und ein Ford, die er jedem seiner Besucher und Freunde jederzeit zur Verfügung stellte, egal ob Politiker, Geschäftsfreund oder Gangster. Nucky war das Aushängeschild der Wilden Zwanziger in Atlantic City. Er war der bunteste Hund der Stadt, und seine Bürger liebten ihn dafür.
Ende der 20er-Jahre erreichten Nuckys Macht und Ansehen auf zwei Ebenen einen neuen Höhepunkt. In der Republikanischen Partei von New Jersey kam niemand an ihm als dem Königsmacher vorbei. Außerdem war er ein wichtiger Faktor im organisierten Verbrechen des Landes. Schon Mitte der 20er-Jahre gab es niemand im öffentlichen Dienst von Stadt und Bezirk, der seinen Job nicht Nucky zu verdanken hatte. Er führte selbst die meisten Vorstellungsgespräche, und so fühlte sich ihm jeder von Anfang an verpflichtet. Er führte ein Ritual ein, das auch seine Nachfolger in den kommenden dreißig Jahren beibehielten: Jeder neue Angestellte, egal in welcher Position, sprach vor Antritt der neuen Stelle beim »Boss« vor, selbst wenn er längst die Zusage bekommen hatte. Er gelobte ihm Treue und erhielt im Gegenzug Anweisungen, wie er sich in politischen Angelegenheiten zu verhalten hatte.
Den größten Wert legte Nucky auf die Polizei, dort sah er sich jeden Bewerber genauestens an, um sicherzustellen, dass die Abteilungen reibungslos mit der Vergnügungsbranche zusammenarbeiteten. Vor allem das Sittendezernat war Nuckys verlängerter Arm, wenn es darum ging, die illegalen Geschäfte zu protegieren und die entsprechenden Schutzgelder aus Kasinos, Bars und Bordellen einzutreiben. Ein damals dort tätiger Ermittler beschreibt seine Anstellung wie folgt: »Man sagte mir zwar den Job zu, aber ich sollte vorher noch bei Nucky vorbeischauen. Nucky war sehr freundlich, er fragte nach meiner Familie und ließ mich wissen, dass der Bezirksleiter uns gut leiden konnte. Er empfahl mir, den Anweisungen meiner Vorgesetzten zu folgen, dann hätte ich ein angenehmes Leben als Polizist.«
Außerhalb Nuckys Gunst gab es weder Arbeit im öffentlichen Dienst noch so etwas wie sichere Arbeitsplätze. Wollte man seinen Job behalten, entrichtete man ein bis sieben Prozent seines Einkommens an die Republikanische Partei, je nachdem, wie viel man verdiente. Diese Zwangsabgabe fand an jedem Zahltag, insgesamt 26-mal im Jahr, statt, und jeder Abteilungsleiter musste darüber auf speziellen Formularen, die er von Nucky erhalten hatte, Buch führen. Auf dem Formular stand, wie viel der Arbeitnehmer abgeben musste, und es gab ein Feld, in dem die Zahlung bestätigt wurde. Diese Lohnrückzahlungen waren jedoch nicht die einzige Verpflichtung gegenüber Nucky Johnson. An Wahltagen ging man für ihn zu den Urnen, auch mehrmals in verschiedenen Stadtbezirken, wenn es sein musste.
Neben den Lohnrückzahlungen verdiente Nucky auch an der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und der Versorgung von öffentlichen Einrichtungen mit Lebensmitteln und Brennstoffen. Seine Organisation war perfekt eingespielt. Jedes Rad im Getriebe erfüllte eine spezielle Aufgabe, und jeder, der Geschäfte mit der Stadt, der Partei, der Regierung oder dem organisierten Verbrechen machte, wurde ein Teil dieser Maschine.
Nuckys Organisation war weitaus komplexer als die des Kommodore. Kuehnle verließ sich auf seine Beliebtheit und seine Almosen an die Armen und Schwarzen, Nucky hingegen war ein pedantischer Organisator. Sein extravaganter Lebensstil war nur eine Tarnung für sein eigentliches Ich, das mit Berechnung und Kalkül jeden seiner
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