Boardwalk Empire
ab, aber im Reich von Nucky Johnson kamen sie keinen Meter voran. Sie heuerten Privatdetektive an, die Zeugen befragten und Aussagen über Prostitution, Glücksspiel und den Verkauf von Alkohol sammelten. Die eidesstattlichen Erklärungen wurden dem Bezirksstaatsanwalt Louis Repetto vorgelegt, demjenigen also, der die Beamten der Küstenwache wegen der Schüsse auf einen Schmuggler belangt hatte. Repetto erhob aus Mangel an Beweisen keine Anklage.
Comly wandte sich daraufhin an den von Nucky persönlich ausgesuchten Richter William Smathers vom Court Of Common Pleas und bat ihn, das bekannte Kasino Golden Inn an der Missouri Avenue zu schließen. Smathers Antwort lautete: »Ich bin kein Reformer, mein Geld verdiene ich als Richter.«
Comlys Anliegen wurde auch vom Bezirksstaatsanwalt General E . L. Katzenbach abgelehnt, der ihn lapidar wissen ließ: »Solange mich der Bundesgerichtshof nicht dahin schickt, gehe ich nicht nach Atlantic City.« Der Bundesgerichtshof war dann auch Comlys nächste Anlaufstelle, wo ihm Oberrichter Luther Campbell mitteilte, dass er zwar »im Recht sei, aber die Allgemeinheit kein Interesse daran hat«, das Kasino zu schließen.
Nuckys Einfluss reichte bis auf Bundesebene, aber es gab noch einen anderen Grund, warum Comly nicht angehört wurde. Die Bürger von Atlantic City waren mit der Art und Weise, wie sie regiert wurden, höchst zufrieden. Warum sollten sie auch etwas ändern, solange die illegalen Geschäfte ihnen und dem Fremdenverkehr so große Erfolge bescherten?
Ihre letzte Niederlage mussten Comly und das Komitee der Einhundert dann am 31. Januar 1930 einstecken. Abends kam es in Atlantic City zu zwei Versammlungen. Thompson und Comly hatten zusammen mit etlichen Geistlichen vor der Odd Fellows Hall auf der New York Avenue eine Kundgebung organisiert. Es war mit 600 Reform-Anhängern die größte Veranstaltung ihrer Art in Atlantic City. Zahlreiche religiöse Eiferer aus dem ganzen Land waren erschienen und predigten gegen Nucky und sein Regime. Sie verglichen die Stadt mit Sodom und Gomorrah und warfen Nucky vor, das Gesetz mit Füßen zu treten. Nucky kümmerte das herzlich wenig, er war an dem Abend der Gastgeber einer Gala-Veranstaltung mit dem Namen »Nucky’s Nocturne«.
Während draußen die Moralisten sich die Münder zerrissen, saß der Adressat ihres Zorns mit dem Gouverneur, dessen Kabinett und sämtlichen Abgeordneten im Ritz Carlton. »Nucky’s Nocturne« war seine Art, sich alljährlich bei seinen Freunden aus Trenton zu bedanken, egal ob Demokraten oder Republikaner. Das Komitee der Einhundert hatte auch Gouverneur Larson zu ihrer Kundgebung eingeladen und extra den Zeitpunkt mehrmals verschoben, weil sich Larson immer wieder mit Terminproblemen herausgeredet hatte. Larson zog das rauschende Fest den Brandreden der Prohibitionsbefürworter vor und dachte gar nicht daran, die Einladung zu »Nucky’s Nocturne« auszuschlagen. Dort gab es ein Zwölf-Gänge-Menü, das erst gegen Mitternacht anfing. Nucky fuhr das beste Essen, die tollsten Drinks und die schönsten Mädchen auf, und so warteten die Kritiker draußen vergeblich auf die Unterstützung der Politiker, die es sich drinnen gut gehen ließen.
Nuckys politische Freunde waren wichtig, aber sein eigentliches Machtinstrument waren die Schutzgelder. Nuckys Anteil lag bei einer halben Million im Jahr. Seine Haupteinnahmequellen waren die »Inspektionsgebühr« von sechs Dollar pro Kiste bei allen Alkohollieferungen nach Atlantic City, die von den Hotelbetreibern bezahlt wurden, sowie »Übertragungsgebühren« aus Wettbüros und Pferdewetten und die Anteile aus verbotenem Glücksspiel und den illegalen Lotterien.
Nucky war weit über die Grenzen der Stadt hinaus in kriminelle Aktivitäten verwickelt. In den späten 1920er-Jahren nahm man ihn in den Kreis von Charles »Lucky« Luciano auf, und er wurde ein enger Vertrauter von dessen Mafia Familie. Als Nucky bereits auf dem Höhepunkt seiner Macht war, kämpfte sich Luciano gerade als skrupelloser Mafioso an die Spitze des organisierten Verbrechens. Dabei sah er sich hauptsächlich mit den etablierten Mafiafamilien der Maranzanos und Masserias konfrontiert. Beide wollten Bündnisse mit Luciano eingehen, und beiden schlug man eigentlich kein Angebot aus. Luciano entschied sich für Masseria und musste nun die Rache der Maranzanos fürchten. Um seine Position zu stärken, gründete er mit seinem Partner Meyer Lansky ein neues landesweites Syndikat, in das er
Weitere Kostenlose Bücher