Boardwalk Empire
nicht zwingend Boss werden. Es war ihm vermutlich zu viel Arbeit, er spielte lieber jeden Nachmittag Karten im Lion’s Club. Farley erkannte, dass es Altman lediglich um einen sicheren Job mit einem guten Ruf ging. Altman konnte sich vorstellen, Bürgermeister zu werden, solange jemand anderes die Alltagsgeschäfte erledigte. Farley sicherte Altman seine Unterstützung zu, sobald Taggart aus dem Weg geräumt war. Altman wurde 1944 zum Bürgermeister gewählt und blieb unter der Ägide Farleys die nächsten 25 Jahre im Amt.
Ohne James Boyd wäre Farleys Aufstieg dennoch nicht möglich gewesen. Boyd war Verwaltungsbeamter im Bezirksausschuss, Nuckys politische rechte Hand und Leiter des entscheidenden vierten Wahlbezirks. Farley garantierte Boyd, dass er auch weiterhin seinen Einfluss in der republikanischen Organisation behalten würde, und damit war die Angelegenheit erledigt. Auf Nuckys Unterstützung konnte Farley nicht zählen, denn der hatte genug damit zu tun, die Angriffe des FBI abzuwehren, und sein Einfluss schmolz dahin. Alles, was Farley Nucky noch anbieten konnte, war ein offenes Ohr und seine frisch gebackene Braut Flossie unauffällig für einen Job in der Stadtverwaltung zu empfehlen. Die Kunst war, loyal zu sein und dennoch genug Sicherheitsabstand zu wahren.
Die Schlüsselfiguren im republikanischen Machtapparat standen bereits geschlossen hinter Farley, als Taggart eine Entscheidung traf, die ihn ruinieren sollte. Zusätzlich zu seinem Amt als Bürgermeister bestand Taggart darauf, zum Sicherheitsdirektor der Stadt ernannt zu werden, um dadurch den Polizeiapparat unter seine Kontrolle zu bringen. Taggart war überzeugt, so die illegalen Geschäftemacher mit Gewalt auf Linie bringen zu können. Er fing an, Perlmutt-besetzte Revolver am Gürtel zu tragen, worauf die Presse ihn »Two Gun Tommy« nannte. Im Sommer des Jahres 1940 , während Nucky auf seine Verhandlung wartete, ordnete Taggart Razzien in Spielkasinos an. In seinem Auto hörte er den Polizeifunk ab und leitete die Einsätze selbst.
Die Razzien waren eine Botschaft an die Unterwelt: Taggart war der neue Boss, und wer nicht mit ihm zusammenarbeitete, konnte dichtmachen. Die Razzien brachten Taggart sensationelle Schlagzeilen in den überregionalen Medien ein. Einen Politiker aus Atlantic City, der der Kriminalität den Kampf ansagte, hatte es zuvor noch nicht gegeben. Als die Racketeers ihm die Zusammenarbeit verweigerten, intensivierte er die Übergriffe und stilisierte sich zum gerechten Ritter, der in der Stadt aufräumte. Aus Tommy Taggart, dem »grundsoliden Gefolgsmann der Organisation«, der als Police Recorder das Gesetz nach seinem Gutdünken gebeugt hatte, war ein rechtschaffener Reformer geworden.
Auch wenn Taggart außerhalb der Stadt für positive Schlagzeilen sorgte, kam sein Aktivismus in Atlantic City nicht gut an: Two Gun Tommys Machtübernahme scheiterte grandios. Farleys Leute verbreiteten Gerüchte über seine Homosexualität. Das beschädigte seinen Ruf, und im April 1941 beriefen die Wahlkreisleiter einen »Kriegsrat« ein, um Taggart aus dem Amt zu entfernen. Nur ein Jahr nach seiner Ernennung zum Bürgermeister sammelten die Bezirksvorsteher Unterschriften für die Abberufung.
Dazu kam es allerdings nie. Stattdessen inszenierte Frank Farley einen Coup. Auf seinen Vorschlag hin verabschiedete der Stadtrat mehrere Resolutionen, die Taggarts Macht untergruben. Als er gerade nicht in der Stadt war, wurde ihm die Kontrolle über die Polizei, den Vorsitz des Stadtgerichts, die Baukommission und das Pressebüro entzogen. Taggart war jetzt nur noch dem Namen nach Bürgermeister. Der Stadtrat veröffentlichte ein Statement, das bekräftigte, er habe »alles getan, um den Bürgermeister zu unterstützen, aber der war nicht mehr in der Lage, seinen zahlreichen Verpflichtungen nachzukommen.« Eine genauere Erklärung wurde nicht abgegeben, denn Farley hatte angeordnet, sämtlichen Fragen der Presse aus dem Weg zu gehen, getreu einem Ausspruch des Ex-US-Präsidenten Calvin Coolidge: »Ich musste noch nie etwas rechtfertigen, was ich nicht gesagt habe.«
Taggart wusste natürlich, wer hinter seiner Degradierung steckte, konnte aber nichts dagegen unternehmen, denn im Mai 1942 , als Nucky bereits im Gefängnis saß, stand die Organisation geschlossen hinter Farley. Taggart klagte gegen seine Kollegen aus dem Stadtrat, verlor und wurde als Bürgermeister 1944 durch Joe Altman ersetzt. Im September 1950 starb er frustriert und
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