Boardwalk Empire
Urteil des Gerichtshofs beugen. Hanemans Kommentar liest sich wie die Entschuldigung an einen alten Freund.
Für Hap Farley war die Entscheidung ein Desaster. Er war jetzt einer von vierzig Senatoren, kontrollierte nur noch ein Dutzend seiner Kollegen und konnte nicht mehr nach Belieben Mehrheiten erzeugen. Doch nicht nur in Trenton wurde Farleys Einfluss schwächer.
Auf den ersten Blick war der republikanische Apparat nach wie vor die bestimmende Kraft in Atlantic City und gewann immer noch jede Wahl mit großem Abstand, aber seine Basis begann zu bröckeln. Nach und nach und zunächst kaum merkbar zerfiel das Wahlkreissystem, der Grundpfeiler von Farleys Macht. Die Reformen aus Washington forderten ihren Tribut: Nucky Johnsons raffinierte Maschinerie der Gefälligkeiten und der Anwerbung politischer Handlanger wurde von Sozialhilfeprogrammen und staatlichem Beamtentum verdrängt.
Das Wahlkreissystem beruhte auf Gefälligkeiten gegenüber den Wahlberechtigten und der daraus resultierenden Stimmenausbeute. Die Sozialfürsorge-Programme, die durch Franklin D. Roosevelts »New Deal« (historische Wirtschafts- und Sozialreformen; A . d . Ü.) während der Wirtschaftskrise entstanden waren, wurden immer mehr angenommen, bis die Unterprivilegierten Atlantic Citys irgendwann nicht mehr zu ihrem Bezirksvorsteher rannten, wenn sie ein Problem hatten. Arbeitslosenunterstützung und Sozialleistungen halfen den Armen der Stadt nun über den Winter, ohne dass sie die Republikaner um Almosen bitten mussten. Es dauerte über dreißig Jahre, bis Roosevelts sozialliberale Reformen ihre Wirkung entfalteten, aber dann gab es kein Zurück mehr: Sozialleistungen waren keine Belohnung mehr für treue republikanische Wähler, sie waren jetzt ein Grundrecht.
Auch die Patronage im Stellenmarkt ließ sich nicht mehr aufrechterhalten. Wo Boyd und Konsorten bisher ihre Schützlinge fest im Griff gehabt hatten, verschaffte das neue Staatsbeamtentum Angestellten der Stadt und des Regierungsbezirks ungeahnte Freiheiten. Anfangs umging Boyd es noch dadurch, dass er die Anzahl der Stellenausschreibungen begrenzte und die Anforderungstests manipulierte. Das Staatsbeamten-Prinzip etablierte sich dennoch, und Boyds Einfluss auf die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst schrumpfte. Ein Angestellter der Stadt konnte seine »politische Pflicht« gegenüber der Partei schleifen lassen und trotzdem nicht mehr entlassen werden. Ein Engagement im Wahlkreis erfolgte nun ausschließlich auf freiwilliger Basis.
Die afroamerikanischen Wähler versetzten dem alten System dann endgültig den Todesstoß. Über fünfzig Jahre hatten die Republikaner auf die Wähler in den schwarzen Stadtvierteln zählen können, doch zu Hap war die Gemeinschaft nie so loyal gewesen wie gegenüber Nucky oder dem Kommodore. Millionen von sozial benachteiligten Amerikanern, insbesondere die Schwarzen, setzten ihre Hoffnung vielmehr auf Roosevelt und sein soziales Engagement. Die afroamerikanische Wählergemeinschaft spielte in Roosevelts Plänen eine wichtige Rolle. Bei den Kommunalwahlen konnten die Schwarzen in Atlantic City bisher nur die Republikaner wählen, aber als in den 60er-Jahren die schwarze Bürgerrechtsbewegung entstand, engagierten sie sich auch in der Demokratischen Partei. Der Seitenwechsel erfolgte endgültig, als der Gemeinde die rassistischen Taktiken der Republikaner vor Augen geführt wurden. Die Atlantic City Press veröffentlichte eine Untersuchung der Wahlanträge von Atlantic County und deckte auf, dass die Formulare nach Rassenzugehörigkeit markiert waren. Die Schwarzen waren außer sich vor Wut und weigerten sich, weiterhin als Stimmvieh missbraucht zu werden. Was ihnen noch fehlte, um Farleys Apparat ernsthaft zu gefährden, war der richtige Demokratische Kandidat.
Obwohl Hap Farley wusste, dass die Öffentlichkeit seinem Führungsstil zusehends feindlich gesinnt war, weigerte er sich, seine Methoden zu ändern. Bei den letzten zehn Wahlen war es niemandem auch nur ansatzweise gelungen, ihn zu besiegen. Seine Opposition bestand weiterhin nur aus »Farleykraten«, und er besaß folglich immer noch die politische Macht in Atlantic City. Und freiwillig wollte er die nicht abgeben.
In der ersten Wahl nach dem Jackman-Urteil war vorgesehen, dass Cape May und Atlantic für die Senatswahlen zu einem Bezirk zusammengelegt wurden. Und Farleys erster großer Herausforderer im Senat stellte sich ihm 1965.
Ein paar Jahre nach der Stadtratswahl von 1952 war
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