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Bob, der Streuner

Bob, der Streuner

Titel: Bob, der Streuner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Bowen
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enormer Pluspunkt meiner Arbeit.
    Die nächsten beiden Monate in unserem neuen Job vergingen wie im Flug. Unser Kundenstamm hat sich seit meiner Zeit als Straßenmusiker nicht wirklich geändert: vorwiegend Frauen aller Altersgruppen, Schwule und Touristen aus aller Welt.
    Im Herbst 2008 hatten wir eine Begegnung mit einem mega-cool gekleideten jungen Mann. Er hatte blond gesträhnte Haare, trug teure Jeans, Cowboystiefel und eine Lederjacke, die bestimmt ein Vermögen gekostet hatte. Er sah aus wie ein amerikanischer Rockstar, und wahrscheinlich war er das auch.
    Er blieb sofort stehen, als sein Blick an Bob hängenblieb.
    »Hey! Ist das ’ne coole Katze!«, rief er überrascht aus. Sein Slang bestätigte meine Vermutung. Er war Amerikaner.
    Er kam mir so bekannt vor, aber ich kam nicht auf seinen Namen. Am liebsten hätte ich ihn gefragt, aber das wäre aufdringlich gewesen. Ich bin froh, dass ich mich zurückgehalten habe.
    Er kauerte lange vor Bob und streichelte ihn, bis er sich wieder an mich wandte: »Wie lange seid ihr zwei schon ein Team?«
    »Oh, mal sehen«, stotterte ich überrumpelt. Ich musste tatsächlich nachrechnen. »Wir kennen uns seit Frühling letzten Jahres – also eineinhalb Jahre.«
    »Cool! Ihr seht aus wie Seelenverwandte …« Er lächelte und legte den Kopf schief, als würde er über seine eigenen Worte nachdenken. Dann nickte er: »… als würdet ihr wirklich zusammengehören.«
    »Danke«, gab ich lächelnd zurück. Innerlich ärgerte ich mich, weil mir nicht einfallen wollte, wer er war.
    Aber bevor ich ihn doch noch fragen konnte, sah er auf die Uhr und sprang auf.
    »Hey, ich muss weiter, bis bald mal!« Dabei holte er ein Bündel Scheine aus seiner Jackentasche und gab mir zehn Pfund für eine Big Issue.
    Ich kramte nach Wechselgeld, aber er hob abwehrend die Hände: »Passt schon! Ich wünsche euch beiden einen wunderschönen Tag!«
    »Den werden wir haben«, versprach ich ihm. Und so war es auch.
    Meine »Aufenthaltsgenehmigung« für den Platz vor der Angel Station war ein Segen für mich. Die Kontrolleure konnten mir nichts mehr anhaben. Die schiefen Blicke von einigen wenigen ignorierte ich einfach, aber die meisten waren freundlich. Da ich weder störte noch jemanden belästigte, ließen sie mich in Ruhe.
    Aber neue Feinde waren bereits im Anmarsch. Scheinbar hatten wir, Bob und ich, uns bei einigen Big-Issue- Kollegen unbeliebt gemacht.
    Das war absehbar, denn die Gesetze der Straße sind hart. Wer meint, dass auf der Straße alle zusammenhalten, täuscht sich sehr. Füreinander da sein war in diesem Haufen von Einzelkämpfern ein Fremdwort. Jeder war nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Trotzdem sei gesagt, dass die meisten Kollegen »den Neuen mit der Katze auf der Schulter« sehr freundlich aufgenommen haben.
    Verkäufer mit Hunden hatte es immer schon gegeben. Einige von ihnen waren auch kleine Herzensbrecher. Aber ein Verkäufer mit Katze war neu – nicht nur in Covent Garden, sondern in ganz London.
    Einige Kollegen zeigten aufrichtiges Interesse. Sie wollten Bob streicheln und alles über ihn wissen: Wie wir uns gefunden hatten und ob ich seine Vorgeschichte kannte. Aber seine Herkunft ist und bleibt im Dunkeln. Bob, der mysteriöse Findelkater, der aus dem Nichts aufgetaucht war und – vielleicht gerade deshalb – die Herzen der Menschen eroberte wie kein anderer.
    Für mich interessierte sich natürlich keiner. Wann immer wir einen Kollegen trafen, hörte ich: »Wie geht’s Bob heute?« Niemand fragte je nach meinem Befinden. Ich war nicht eifersüchtig. Nein, ich hatte nichts anderes erwartet. Ich wusste, dass diese aufgesetzte Freundlichkeit nicht lange währen würde. So ist das immer auf der Straße.
    Es stellte sich heraus, dass ich – mit Bob als Verkaufsmanager – zwischen dreißig und fünfzig Zeitschriften pro Tag absetzen konnte. Bei dem damaligen Preis von zwei Pfund pro Zeitschrift konnten wir damit ganz gut leben, besonders weil auch noch Trinkgeld dazukam. Bobs Trinkgeld.
    Eines frühen Abends im Herbst saß Bob auf meinem Rucksack und genoss die letzten Strahlen der Abendsonne. Unter den vielen Passanten, die an uns vorbeiliefen, entdeckte ich ein Paar in edler Abendgarderobe. Sie sahen aus, als wären sie auf dem Weg ins Theater oder in die Oper. Er im Smoking mit Fliege, sie in einem schwarzen, raffiniert geschnittenen Seidenkleid.
    »Sie sehen sehr elegant aus«, versuchte ich über ein ehrliches Kompliment Kontakt aufzunehmen, als die

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