Bob und wie er die Welt sieht
hinterlassen. Der Geruch, der mir aus der Dose entgegenwehte, war alles andere als einladend. Wie konnte man da nur freiwillig seinen Kopf reinstecken?
Kaum war Bob seinen ungeliebten Kopfschmuck los, raste er davon. Kleine Reste von Katzenfutter klebten noch an seinem Kopf und an seinen Ohren. In sicherer Entfernung begann er hektisch, sich zu lecken und zu putzen. Zwischendurch warf er mir verlegene Blicke zu, als wollte er sagen »Ja, ich weiß, das war echt dämlich, aber hast du etwa noch nie Mist gebaut?«
Als wir eine Stunde später das Haus verließen, war ihm die Sache immer noch peinlich. Ich dagegen konnte mir das Grinsen nicht verkneifen, wenn ich an Bob mit seinem Dosenhut dachte.
Die ersten Anzeichen, dass etwas mit ihm nicht stimmte, bemerkte ich ein paar Tage danach. Er fraß plötzlich viel mehr als sonst. Seine Futterration war seit Jahren festgelegt. Auch wenn das Geld knapp war, legte ich großen Wert auf möglichst gesundes Katzenfutter und ausgewogene Ernährung für ihn. Außerdem achtete ich streng auf die Einhaltung der Mengenangaben auf der Verpackung. Morgens gab es eine Tasse voll Trockenfutter und abends, etwa eine Stunde vor dem Schlafengehen, noch eine halbe Tasse. Dazu bekam er einen halben Beutel von seinem geliebten Nassfutter.
Zu diesen zwei täglichen Mahlzeiten kamen noch all die kleinen Snacks, die er tagsüber abräumte, während wir arbeiteten. Es war immer genug, damit er gesund und zufrieden blieb. Meistens ließ er von seinem Frühstück sogar noch etwas übrig. Nur manchmal verdrückte er den Rest noch schnell, bevor wir in die Stadt fuhren.
Ein paar Tage, nachdem sein Kopf in der Dose steckengeblieben war, wurde Bob seltsam gefräßig. Er verschlang seine Morgenration doppelt so schnell wie sonst und schleckte sogar noch die Schüssel aus.
Und er fing an zu betteln. Bisher hatte immer ich entschieden, wann er für ein Kunststück eine Belohnung bekam. Auf einmal drängte er mich geradezu, ihm etwas zu geben. Sein Benehmen in Bezug auf Futter veränderte sich total. Aus seinem traurigen »Gestiefelter Kater«-Blick wurde reine Gier. Sobald wir zu Hause waren, ging das Theater weiter. Normalerweise war es ihm egal, wann ich ihm sein Abendessen hinstellte, aber plötzlich forderte er es ein, sobald die Wohnungstür hinter uns ins Schloss fiel. Ungeduldig wie ein junges Fohlen, das zum ersten Mal auf die Weide darf, tänzelte er um mich herum, bis ich seine zwei Näpfe gefüllt hatte. Kaum standen sie vor ihm, war alles ratz, fatz weg, aufgesaugt wie von einem kleinen Turbo-Staubsauger. Dann stand er vor den leeren Schüsseln und bombardierte mich mit Blicken, die er sich aus dem Film Oliver Twist abgeschaut haben könnte. »Dad, kriege ich einen Nachschlag?«
Als er trotz dieser Fressattacken nach einer Woche kein Gramm zugenommen hatte, klingelten bei mir die Alarmglocken.
Das ist seltsam , dachte ich, nachdem Bob wieder beide Näpfe ratzekahl leer gefressen hatte und dastand, als wäre er immer noch am Verhungern.
Er musste auch viel öfter zur Toilette. Bob war, wie die meisten Katzen, ein Gewohnheitstier, wenn es um seine Verdauung ging. In den letzten Jahren hatte er seine Abscheu vor dem Katzenklo in der Wohnung glücklicherweise überwunden. Er benutzte es inzwischen ganz selbstverständlich für seine Morgentoilette. Das zweite Mal ging er mittags auf dem Weg zur Arbeit. Doch plötzlich besuchte er sein Katzenklo mindestens dreimal im Laufe des Vormittags. Vielleicht sogar öfter, denn ich habe ihn schon mal auf der Toilette im Bad erwischt. Gesehen habe ich das allerdings nur einmal. Vielleicht wollte er dabei auch nicht beobachtet werden und tat es immer nur heimlich. Nur weil ich mir wegen der auffälligen Veränderung seiner Gewohnheiten immer mehr Sorgen machte, bemerkte ich hin und wieder eine leichte Verfärbung des Spülwassers in der Toilettenschüssel.
Auch an unserem Verkaufsplatz am U-Bahnhof Angel mussten wir öfter als sonst wegen seines Geschäftchens pausieren. Das war immer ein ziemlicher Aufwand; ich musste jedes Mal alles zusammenpacken und ihn mit Sack und Pack zur nächstgelegenen Grünfläche begleiten, sodass er dem Ruf der Natur folgen konnte. Aber was blieb mir anderes übrig?
»Was ist nur los mit dir, Bob?«, fragte ich ihn nach ein paar Tagen genervt. Seine Antwort war ein reservierter Blick, mit dem er mir zu verstehen gab, ich solle mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern.
Eines Morgens erwischte ich ihn dabei, wie er
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