Bobbie Faye 01 - Schlimmer Geht Immer
Feuerball in den Himmel stieg, und er hörte, wie die Splitter der metallenen Außenverkleidung der Hütte Schrapnellen gleich in alle Richtungen davonflogen und sich in die umstehenden Bäume bohrten. Schwarzer Rauch stieg aus den Trümmern der Hütte auf, in der Bobbie Faye gerade noch gestanden hatte – lebendig, atmend. Es war keine fünf Minuten her. Das Blut rauschte in seinen Ohren. Er lief hinüber zu den brennenden Resten, blinzelte wegen des beißenden Qualms, während die noch übrigen Wände im Feuer zu Asche verkohlten. Männer des SWAT-Teams packten ihn und zogen ihn zurück in Sicherheit.
Doch er wollte nicht in Sicherheit sein.
Er wollte in den Trümmern graben, das brennende Holz mit bloßen Händen beiseite ziehen und sie finden, denn sie musste dort sein. Sie war okay, sie atmete, er wusste es. Denn es konnte einfach nicht anders sein. Er würde sie finden, und wenn er damit fertig wäre, sie anzubrüllen, was durchaus fünf Jahre dauern konnte, würde er ihr Handschellen anlegen und sie in die robusteste Zelle stecken, die er finden konnte. Und dort, verdammt, würde sie bleiben, dort wäre sie in Sicherheit, selbst wenn er dafür alle anderen umbringen müsste.
Zeke kam herübergeeilt und wirkte nicht besonders glücklich. Wie jemand, der das große Los knapp verfehlt hatte. Cam war sich nicht sicher, was der FBI-Mann jetzt vorhatte, und offen gesagt war es ihm auch egal. Er starrte auf das Feuer, auf die verkohlten Überreste der Wände und des Daches, bis Zeke in sein Blickfeld trat.
»Sie sind ein verdammter Idiot«, brüllte dieser ihn an. »Warum haben Sie es zugelassen, dass dieses Miststück uns in die Quere …«
Ehe er auch nur eine Sekunde darüber nachdenken konnte, hatte Cam den Agenten auch schon an der Kehle gepackt und ihn gegen den nächsten Baum gestoßen. Doch die Männer vom SWAT-Team zogen Cam zurück. Daraufhin rappelte Zeke sich auf und zupfte sorgfältig seinen Kampfanzug zurecht.
»Sie können sich glücklich schätzen, dass ich keine Lust habe, mich mit dem ganzen Papierkram herumzuschlagen, den es brauchen würde, um Sie feuern zu lassen«, sagte Zeke.
Cam lachte. »Als ob mich das interessieren würde«, erwiderte er und wandte sich wieder der brennenden Hütte zu. Ein kaltes, dumpfes Gefühl schien sich in seinem ganzen Körper auszubreiten. So nahm er kaum wahr, dass der Leiter des SWAT-Teams mit einem der Satellitentelefone das CSI anforderte.
Bobbie Faye stolperte eine Wendeltreppe hinunter. Die brennende Hütte lag nun zwei Stockwerke über ihnen. In der fast völligen Dunkelheit verlor sie fast die Orientierung. Mit aller Kraft versuchte sie, rational zu denken, denn sie war sich ziemlich sicher, schon in jene Phase eingetreten zu sein, in der man gewöhnlich den Verstand verlor. Während sie weiter hinunter in die völlige Dunkelheit stiegen, schöpfte sie den leisen Verdacht, dass ihr Verstand in dem Moment irgendwo über den Rand einer imaginären Klippe gestürzt war, als Alex sie alle zu der versteckten Wendeltreppe gescheucht und dann den Zeitzünder für die Explosion eingestellt hatte.
Trevor lief vor ihr, und sie hatte eine Hand auf seiner Schulter, um das Gleichgewicht zu halten. Alex, der ihnen zwei Windungen voraus war, besaß als Einziger eine Taschenlampe. Sie durchlief ein Wechselbad der Gefühle, doch das, was immer wiederkehrte, wurde gemeinhin pure Verzweiflung genannt.
Wie konnte es sein, dass Cam sich nicht auf die Suche nach Stacey gemacht hatte? Er liebte das Kind. Auf der anderen Seite, dachte sie, hatte er sie auch geliebt, was für ihn jedoch kein Hinderungsgrund gewesen war, das Leben ihrer Schwester und ihrer Nichte zu zerstören, indem er Lori Ann verhaftete. Sie konnte einfach nicht fassen, dass er offenbar tatsächlich nicht versucht hatte, ihrer Nichte zu retten. Er musste sie so sehr hassen, dass es ihm wichtiger war, sie ins Gefängnis zu stecken, als Stacey das Leben zu retten. Als ihr das klar wurde, brach etwas in ihr zusammen. Sie versuchte, die Erkenntnis in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins zu schieben, aber der Gedanke drängte sich ihr sofort wieder auf, während sie weiter hinunter in die völlige Dunkelheit stiegen. Irgendwie hatte sie geglaubt, er würde sie noch lieben. Sie hatten immer furchtbar gestritten, sie waren auseinandergegangen, und jeder hatte sein Leben weitergelebt, oder etwa nicht? Klar. Aber in ihrer Brust schien es zu brennen, als sie erkannte, dass er offensichtlich mit ihr fertig war.
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