Bobbie Faye 01 - Schlimmer Geht Immer
Stacey zu holen, die auf der Türschwelle saß und versuchte sich die Schuhe zuzubinden.
»Wissen die überhaupt, dass dieses Diadem absolut keinen reellen Wert hat?«
»Ich weiß es nicht. Sie wollen es einfach haben.«
»Aber es ist nur ein albernes altes Ding von Mom. Sie hat es aus Spaß während der Parade zum Piraten-Festival aufgesetzt. Ich setze es zu dieser Parade auf. Jeder könnte es währenddessen ganz leicht klauen. Wozu jetzt dieses ganze Theater? Es ist nicht mal das Geld wert, das ich für das Bankschließfach bezahle, Teufel noch mal«, fluchte sie und entfernte sich mit Stacey, die sie auf dem Arm trug, von dem Trailer. »Wenn Lori Ann nicht wieder mit dem Trinken angefangen und alle unsere Requisiten für das Piraten-Festival bei eBay versteigert hätte, um an Geld zu kommen, würde ich es wahrscheinlich einfach zu Hause aufbewahren.«
Stacey runzelte die Stirn, als sie angestrengt über diesen Vorwurf an ihre Mutter nachdachte.
»Tut mir leid, Kleines.« Bobbie Faye drückte ihre Nichte an sich.
Hinter ihr ertönte ein Geräusch, als würde Metall auf Metall reiben, und sie fuhr gerade noch rechtzeitig herum, um zu sehen, wie der Boden ihres Trailer an der vorderen Seite unter dem ungeheuren Gewicht des Wassers durchsackte. Der Wohnwagen platzte auf, und die Stützen, auf denen er stand, durchbohrten ihn von unten, bis der Trailer an einer Seite auf der Erde aufsetzte. Er brach vor ihr zusammen wie ein sterbendes Ungeheuer, und das herausströmende Wasser brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Langsam kippte er von Bobbie Faye weg und stürzte dann geräuschvoll zu Boden. Metall zerbarst und knirschte. Überall floss Wasser aus ihm heraus, während es ihn dahinraffte.
Schockiert ließ Bobbie Faye ihr Handy sinken und vergaß für einen Moment alles andere um sich herum. Alles, was sie in diesem Moment denken konnte, war: Oh mein Gott. Mein Trailer! Mein Trailer! Scheiße! Heilige Scheiße!
»Bobbie Faye?«, rief Roy. Seine Stimme klang nun gedämpft, ziemlich dünn und sehr weit weg.
»Mein Trailer, verdammt! Roy, er ist … er ist …«
»Bobbie Faye? Bitte, du musst dich konzentrieren, Sis.«
»Konzentrieren?« Sie streckte das Handy von sich weg, als handle es sich dabei um irgendein seltsames Teil aus dem Weltall, dann wurde ihr langsam wieder die Gesamtsituation bewusst, und sie hielt es sich wieder ans Ohr.
»Bobbie Faye? Bist du noch da?«
»Ja.«
»Du klingst irgendwie komisch.«
»Ach, kümmere dich nicht weiter um mich. Bei mir ist nur gerade ein Aneurysma geplatzt.«
»Oh. Okay. Gut. Du bringst das Diadem also her?«
Das Diadem! Sie konzentrierte sich wieder auf dieses Problem. »Ja, Roy, ich hole es.«
»Du darfst auf keinen Fall die Polizei einschalten oder es irgendjemandem erzählen.«
»Wer würde mir das auch glauben?«
»Sie sagen, dass sie dich beschatten. Sie kriegen es mit, wenn du irgendjemanden anrufst. Und sie möchten, dass du dich unauffällig verhältst, Bobbie Faye.«
Sie betrachtete mit gerunzelter Stirn ihren in sich zusammengesunkenen Trailer. »Unauffälliger geht es gar nicht mehr, Roy.«
»Sobald du es hast«, fuhr Roy erleichtert und hastig fort, »rufst du auf meinem Handy an, okay? Und dann werde ich dir sagen, wo du es hinbringen musst.«
»Das Diadem holen, mich unauffällig verhalten, dich anrufen. Alles klar.«
Die Verbindung wurde unterbrochen, und Bobbie Faye blickte von ihrem Handy zu dem Trailer hinüber und dann zu Stacey auf ihrem Arm.
»Is’ Onkel Roy okay?«, wollte die Kleine wissen.
Bobbie Faye drückte ihre Nichte an sich. Roy war die einzige Vaterfigur, die das Mädchen jemals gehabt hatte. »Da bin ich mir sicher, Süße.«
»Mama sagt, du kannst alles wieder heil machen.«
Hm. Bobbie Faye konnte sich vorstellen, wie diese Worte vor Sarkasmus nur so getrieft hatten, als sie Lori Ann über die Lippen gekommen waren, aber bei dem hoffnungsvollen Ausdruck in Staceys Gesicht wurde ihr warm ums Herz. Trotzdem fragte sie sich, wie sie diese Erwartung bloß erfüllen sollte. Ihr Bruder wurde von irgendwelchen Leuten als Geisel festgehalten, die drohten, ihn zu töten, und sie hatte nicht die geringste Ahnung, wo er war.
In diesem Moment spürte sie es: das Feuer in ihrem Herzen, den Beschützerinstinkt der großen Schwester in ihrer Brust, der sie bereits häufiger beinahe das Leben gekostet hätte, als sie zählen konnte. Da waren irgendwelche Leute, die drohten, ihren Bruder zu töten.
Das machte Bobbie Faye verdammt
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