Bobbie Faye 01 - Schlimmer Geht Immer
biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht zu zeigen, welche Sorgen er sich machte. Das lief ja perfekt. Bobbie Faye tat in den seltensten Fällen das, was man ihr sagte. Wie andere Leute über sie dachten, interessierte sie herzlich wenig … darin unterschied sie sich völlig von allen Frauen, die Roy bisher betrogen hatte. Manchmal fragte er sich sogar, ob sie wirklich aus dem Süden stammte oder überhaupt Amerikanerin war. Doch leider hing gerade sein Leben davon ab, dass Bobbie Faye dieses Mal ein paar Anweisungen sehr genau befolgte.
Er war dem Tod geweiht.
Roy zog sich der Magen zusammen, und er schwitzte an Stellen, von denen er gar nicht gewusst hatte, dass er dort Schweißdrüsen besaß.
Bobbie Fayes mitleiderregendes kleines Auto knatterte die Auffahrt zur Goutreaux Grundschule entlang. Bei dem Komplex handelte es sich um einige kleine, gedrungene Backsteingebäude, die in einer Reihe angeordnet waren und wirkten, als würden sie sich ducken, um sich vor einem Hurrikan zu schützen. Auf den Wegen wimmelte es von kleinen Kindern, die sich in Zweierreihen aufstellten, um mit dem ersten Läuten in die Klassen zu gehen. Bobbie Fayes Auto stieß lautstark so viel schwarzen Rauch aus, dass die Kinder allesamt zurückwichen und die Luft anhielten, sobald sie den Wagen kommen hörten. Sie hielt an und Stacey kletterte hinaus. Die Kleine hüpfte zu ein paar Mädchen hinüber, die sie umarmten und gleich in ihre Gruppe aufnahmen. Die restlichen Kinder traten wiederum geschlossen einen Schritt zurück und hielten den Atem an, als Bobbie Faye die Auffahrt hinunterfuhr. Sie trat aufs Gas, woraufhin ihr Auto einen protestierenden rülpsenden Laut von sich gab.
Ihr Instinkt sagte ihr, dass sie zur Bank rasen und unterwegs jede Verkehrsregel missachten sollte. Aber Roys Entführer wollten es unauffällig . Das bedeutete, sie brauchte eine Ausrede, um zur Bank zu fahren, denn normalerweise holte sie das Diadem erst zur Parade am letzten Tag des Festivals aus dem Schließfach. Ganz zu schweigen davon, dass das Wort rasen nicht zu dem Vokabular gehörte, welches in Zusammenhang mit ihrem Auto genannt werden konnte. Demütigung dagegen schon. Und tatsächlich überholte sie in diesem Moment ein Teenager auf einem John-Deere-Trecker und schüttelte nur den Kopf über ihren armseligen Versuch, sich fortzubewegen.
Mit einem letzten Hickser kam Bobbie Fayes Auto vor ihrer Arbeitsstätte zum Stehen: Ce Ces Cajun-Ausstatter- & Feng-Shui-Warenhaus . Das handgeschriebene Schild an dem alten Haus im akadischen Stil, das bereits vor Jahren umgebaut worden war, hatte schon bessere Tage gesehen. Frühere Geschäftsfelder von Ce Ces Laden schimmerten noch immer durch die neueren Farbschichten. Den blassen Umrissen eines alten Schriftzugs zufolge war es mal das Ausstatter- & Secondhand-Warenhaus gewesen – was bewies, dass Ce Ce keine Angst davor hatte, sich mit aller Energie auf jeden noch so kurzlebigen Trend zu stürzen.
Als Bobbie Faye die Eingangstür öffnete, musste sie lachen. Ihre Chefin hatte offensichtlich eine weitere Lieferung Kristalle bekommen. Da diese angeblich dabei halfen, Harmonie und Erleuchtung zu finden, war sie anscheinend zu dem Schluss gekommen, dass Hunderte davon den direkten Weg ins Nirwana eröffnen mussten. Ce Ce schien davon auszugehen, dass jedes lebende Wesen in Louisiana ein paar tausend Stück davon haben wollte. In jeder Ecke stapelten sich Kristalle, sie baumelten sogar von der Decke. Bobbie Faye konnte vierzehn Milliarden Spiegelbilder von sich selbst sehen, dabei stand sie noch in der Tür.
So seltsam das auch war, es passte zu dem Wirrwarr in diesem Laden, den Bobbie Faye liebte, seit sie ihn mit sechzehn das erste Mal betreten hatte. Das alte Haus war im Laufe der Jahrzehnte immer weiter ausgebaut worden. Zimmer führten hinaus auf irgendwelche Terrassen, und manchmal musste man durch einen Schrank steigen, um in einen anderen Raum zu gelangen. Der frühere Besitzer hatte zunächst Grillen und Köder an die Angler verkauft, die an einen der Seen oder in die Atchafalaya-Sümpfe fuhren. Mit der Zeit waren dann Angelruten und Haken, Jagdutensilien, Campingausrüstungen, tragbare Öfen, Laternen, Fischlockmittel, Wildlockmittel, Frühstücksgebäck, die beste Bratensoße der Welt und alles Mögliche und Unmögliche, was man beim Campen am Fluss oder in den Sümpfen gebrauchen konnte, zu seinem Sortiment hinzugekommen. Seit Ce Ce den Laden übernommen hatte, war der Anteil von Möglichem und
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