Bobbie Faye 01 - Schlimmer Geht Immer
Sie wird nichts sagen, bevor sie sich nicht sicher ist.«
Der Captain schaute hinaus auf den Gang und bedeutete den beiden Detectives, wieder in den Beobachtungsraum zu kommen. Dann schloss er hinter ihnen die Tür.
Durch das Fenster sah Cam Dellago, der immer noch neben dem Professor saß und wirkte, als platze er bald vor Wut angesichts der ganzen Warterei. Während er auf die doppelte Größe angeschwollen zu sein schien, machte der Professor den Eindruck, immer weiter in sich zusammenzusinken. Cam fragte sich, ob der Mann sich auflösen und nur den orangefarbenen Overall zurücklassen würde, wenn sie zu lange warteten.
»Ich wollte Sie den Mann erst einmal verhören lassen, bevor ich Ihnen Folgendes erzähle«, begann der Captain. »Und ich möchte, dass über Funk kein Wort davon fällt. Es ist äußerst wichtig, Stillschweigen zu bewahren.«
Cam merkte, wie das Blut aus seinem Gesicht wich, als er die besorgte Miene seines Vorgesetzten sah. Gleich würde der Captain ihm mitteilen, dass Bobbie Faye tot war. Das sagte ihm sein siebter Sinn. Er versuchte sich einzureden, es sei ihm egal und beträfe ihn nicht mehr, sodass er keine Probleme haben würde weiterzuatmen, sobald die Worte heraus waren.
Er lehnte sich gegen den Türrahmen (nicht, um sich abzustützen, sagte er sich, denn er lehnte sich ständig irgendwo an) und sah dem Captain in die Augen, in dessen Blick jedoch weder Sorge noch Mitgefühl lag. Die Art, wie sein Vorgesetzter mit einem Fünfundzwanzig-Cent-Stück spielte, ließ vielmehr darauf schließen, dass dieser frustriert und nervös war. Auf dem Revier hieß es, wenn der Captain die Münze aus der Tasche ziehe, müsse man sich ernsthaft Sorgen machen. Ließ er sie von einer Hand in die andere wandern, wurde man vermutlich gefeuert. Wenn er sie dagegen herausholte und einfach nur in der Hand hielt, war irgendjemand gestorben. Cam atmete erleichtert auf, als er sah, wie der Captain das Geldstück zwischen den Fingern balancierte.
»Ich habe Cormiers Vorstrafenregister überprüft. Es ist so lang wie die Liste meiner Unterhaltszahlungen.« Der Captain zahlte seit fünfundzwanzig Jahren Alimente, da sich seine Ex weigerte, wieder zu heiraten. »Ich kann Ihnen nicht mehr sagen« – er hob den Kopf und blickte Cam scharf an – »als dass wir dabei Unterstützung zu leisten haben, diesen Trevor Cormier lebend und unverletzt in Gewahrsam zu nehmen. Koste es, was es wolle.«
»Und was ist mit Bobbie Faye?«
»Sie hat hier nicht die oberste Priorität.«
Cams ganzer Körper war angespannt, so sehr kämpfte er darum, sich nichts anmerken zu lassen. Das ergab keinen Sinn … Zeke hatte behauptet, er habe die Anweisung, Cormier unter allen Umständen zur Strecke zu bringen. Und nun sagte der Captain, am allerwichtigsten sei, ihn unverletzt in Gewahrsam zu nehmen. Es gab zwei widersprüchliche Anweisungen, was bedeuten musste, dass eine ganze Menge mehr hinter der Sache steckte, als auf den ersten Blick zu erkennen war. Und natürlich hieß es auch, dass der Captain nicht offen darüber sprechen konnte.
Die seltsam ausdruckslose Miene des Captains verblüffte Cam. Sie war ein seltener Anblick und deshalb schon für sich genommen ein Hinweis darauf, dass alles viel schlimmer sein musste, als Cam es sich vorgestellt hatte. Manchmal spannte die Regierung Kriminelle für ihre Zwecke ein, machte Deals mit ihnen und brachte sie dazu, die wahre Drecksarbeit zu erledigen, für die niemand die Verantwortung tragen wollte. Offiziell passierten diese Dinge natürlich gar nicht. Zeke hatte gesagt, Cormier sei ausgestiegen und dann angeheuert worden, um die inoffiziellen Operationen zu übernehmen, an denen sonst niemand interessiert sei. Möglicherweise erpresste Cormier irgendjemanden, weil er Beweise dafür in der Hand hatte, dass die Person in einen dieser fürchterlichen Aufträge verstrickt war. Vielleicht versuchte der Erpresste, Cormier auszuschalten. Und es konnte einen Dritten geben, der davon wusste und Cormiers Hals retten wollte. Es war aber auch möglich, dass Cormier genau das Dreckschwein war, als das Zeke ihn beschrieben hatte, sodass es gerechtfertigt war, ihn auszuschalten. Vielleicht hatte Cormier seinerseits jemanden dazu gebracht, erpresst oder dafür bezahlt, ihn zu schützen. Es gab zu viele Möglichkeiten, als dass die richtige Lösung auch nur zu erahnen wäre.
Natürlich steckte Bobbie Faye mitten in diesem Chaos. Und er sollte für Cormiers Sicherheit garantieren?
»Captain,
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