Bobbie Faye 01 - Schlimmer Geht Immer
wollte sie aus dem Weg schaffen. Dellago präsentierte ihm Bobbie Faye nur aus einem Grund auf dem Silbertablett: weil er sich ziemlich sicher sein konnte, dass sie nicht mehr lange genug leben würde, um die Anschuldigungen des Professors zu widerlegen und auszusagen, was immer sie auch Belastendes über diese Leute wusste.
»Warum hast du ihn nach Cormier gefragt?«
»Offensichtlich kennt der Professor Bobbie Faye kaum. Wir wissen allerdings, dass Cormier bei der Bank war. Und das kann kein Zufall sein.«
Cam presste eine Faust gegen seine Stirn, lehnte sich gegen die Wand und nahm sich einen Moment lang Zeit, um in Ruhe nachzudenken.
Bobbie Faye war von zwei, möglicherweise sogar von drei verschiedenen Seiten zum Abschuss freigegeben. Zunächst einmal würde sich das FBI nicht darum scheren, falls sie im Weg sein sollte. Dann gab es noch Dellagos Pläne, die wahrscheinlich mit dem in Verbindung standen, was er gerade von Ce Ce erfahren hatte. Es konnte möglicherweise bedeuten, dass der Mann, mit dem Bobbie Faye unterwegs war, den Auftrag hatte, sie zu töten, wie auch das FBI annahm.
Offenbar genügte es nicht, wenn nur eine Partei ihr nach dem Leben trachtete. Sie war immer noch auf der Flucht, Gott weiß, wohin.
Ihm fiel auf, wie sehr das Bobbie Faye entsprach. Eigentlich war sie nämlich immer auf der Flucht.
Unwillkürlich hatte er kurz ihr Lachen im Ohr, sah sie vor sich, wie ihr das wilde Haar quer übers Gesicht wehte, während sie ihn über die Schulter hinweg angrinste. An jenem Tag hatte er gesagt, dass er vielleicht besser zur Arbeit gehen sollte, statt die Zeit mit ihr zu verbringen. Daraufhin hatte sie sich seine Schlüssel gegriffen und so getan, als wolle sie sie aus dem Fenster werfen – wobei sein Haus auf einem bewaldeten Grundstück direkt am See stand. Natürlich war es nur ein Scherz von ihm gewesen, und das hatte sie auch gewusst und mitgespielt. Dann war sie durchs Haus gerannt, teuflisch grinsend und mit funkelnden Augen.
Sie hatte ihn zum Lachen gebracht. Er war sehr streng und unnachgiebig erzogen worden. Als Schüler hatte er nur Einsen auf dem Zeugnis gehabt, war Klassensprecher gewesen, später im Studierendenausschuss an der LSU – alles, wie man es von ihm erwartet hatte. Aber Gelächter – wirkliche Freude – war neu für ihn. Sie hatte ihn angesehen, als wäre er das größte Geschenk auf Erden, von dem sie nicht glauben könnte, dass es tatsächlich für sie sein sollte. Als er sie zu fangen versuchte, hatte sie geschrien. Er war durchs Wohnzimmer gelaufen, hatte einen Satz über den Couchtisch gemacht und sich mit ihr aufs Sofa geworfen. Nur um dann festzustellen, dass es ihr irgendwie gelungen war, die Schlüssel zu verstecken. Sie hatte sich geweigert, ihm zu sagen, wo sie waren, wenn er nicht mit ihr ins Bett ginge.
Dazu hatte es nicht viel Überredungskunst gebraucht.
Als er Stunden später aufgewacht war, erinnerte sich Cam, hatte sie neben ihm gekniet. Durch das Schlafzimmerfenster war schimmerndes Licht auf eine Hälfte ihres Gesichts gefallen, die andere hingegen war im Schatten verborgen geblieben. Er hatte ihren seltsamen Gesichtsausdruck nicht wirklich deuten können und sie gefragt, was sie gerade denke. Dass sie glücklich sei, hatte sie daraufhin mit einem Schulterzucken geantwortet.
Das war vorbei. Alles vorbei. Dieser Mensch, diese Frau, die seine beste Freundin gewesen war, hasste ihn jetzt.
Dazu hätte es einfach nicht kommen dürfen.
Cam begann, auf und ab zu marschieren, und ignorierte Benoits amüsiertes Grinsen, bis es anfing, ihn zu nerven.
»Was?!«
»Du ärgerst dich, weil sie sich nicht an dich gewandt hat.«
»Einen Teufel tue ich. Sie ist verrückt, bringt jeden in Lebensgefahr und bittet niemals um Hilfe. Dass sie nicht mal die geringste Unterstützung annehmen kann, ist schon krankhaft. Und bevor sie ausgerechnet mich fragt, legt sie erst mal alles um sich herum in Schutt und Asche. Sie selbst ist ihr größter Feind, dabei gibt es eigentlich keinen verfluchten Grund dafür.«
Verdammt, er musste sich irgendwas einfallen lassen. Und zwar schnell.
»Tja, wenn du wirklich gewollt hast, dass sie dich um Hilfe bittet, wär’s vielleicht besser gewesen, nicht ihre Schwester zu verhaften.«
»Ach, halt die Klappe. Ich hab nur meinen Job gemacht.«
Benoit lachte. »Genau. Und sie hat es ja auch völlig entspannt aufgenommen. Weißt du, in der Situation habe ich zum ersten Mal gesehen, wie Cops vor einer unbewaffneten Zivilistin in
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