Bobby Z
seine Hände bluten, als er es zu
dem Spalt in der Höhlenwand geschafft hat und einen Schuss vom Strand hinter
ihm hört.
Er springt hinaus auf den Strand, der mittlerweile überspült ist,
weil die Scheißflut hereinkommt. Der Strand an diesem kleinen Kap besteht
sowieso fast nur aus Steinen, weshalb Tim an die hundertmal auf den glitschigen
Felsen ausrutscht und hinfällt, bevor er zu einem Fußpfad kommt, der die Klippe
wieder hinaufführt.
Schwankend steigt er ihn hoch, müde und voller Angst, weil er weiß,
dass Gruzsa jetzt im Vorteil ist und er keine Zeit hat, sich noch einen Ausweg
auszudenken. Während er sich durch Nebenstraßen und auf dem Pacific Coast Highway
zurück zum Wohnmobil schleppt, versucht er sich die nächsten Schritte zu
überlegen.
Der allererste Schritt wäre natürlich der raus aus dem ganzen
Schlamassel, aber die Frage ist, wie. Wie immer in dem sogenannten Leben des
Tim Kearney ist es das Problem, wie er aus der Situation herauskommt, Abgang
Bühne links, und er überlegt, ob er nicht einfach Kit in eine Decke oder so
etwas einwickeln soll, und dann nehmen sie Elizabeths Auto und fahren einfach
drauflos. Und zwar Richtung Norden oder Osten, denn im Süden ist Huertero, und
im Westen ist nur Wasser. Als er zurück beim Wohnmobil ist, hat er beschlossen,
genau das zu tun. Er wird Kit und Elizabeth nehmen - wenn sie mitkommen will -
und irgendwie in Richtung Prärie fahren. Sie werden sich eine kleine Stadt in
Kansas oder so suchen und Weizen anbauen.
Bloß dass niemand zu Hause ist, als er die Tür zum Wohnmobil
aufschließt.
Kit und Elizabeth sind weg.
Tim ist von den Socken. Plötzlich ist er frei, frei wie ein Vogel, und
weiß nicht, was er mit dieser Freiheit anfangen soll. Gruzsa ist jetzt im
Vorteil, und Tim muss sich verdrücken, und das Allerletzte auf dieser Welt,
das er brauchen kann, ist eine Frau und Kind. Aber genau das ist es, was er
will. Und jetzt sind sie fort.
Sie müssen von einem Moment auf den anderen abgehauen sein, weil sie
nämlich kaum etwas mitgenommen haben. Ein paar von Kits Klamotten und seine
Zahnbürste, das ist alles. Sogar die Comics des Jungen liegen auf einem Stapel
neben dem Bett.
Elizabeths Make-up-Zeug liegt auf der Badezimmerkonsole.
Tim möchte sich am liebsten erst mal hinsetzen und losheulen.
Er will rausgehen an den Strand und sich in den Sand fallen lassen
und dem Mond seinen ganzen Schmerz zuheulen. Heulen und heulen, bis Gruzsa
kommt und ihm eine Kugel in den Hinterkopf verpasst.
Vielleicht hat Gruzsa sie ja schon geschnappt, denkt er. Gruzsa
schleicht sich von hinten an den Strand, weil er denkt, wenn er schon Tim nicht
kriegen kann, dann wenigstens seine Familie. Und dann wird er Tim anrufen und
einen neuen Handel abschließen. Gruzsa würde das tun. Die DEA würde alles tun.
Er weiß, dass er besser abhauen sollte.
Abhauen und nicht zurückblicken, weil ja Elizabeth vielleicht aus
einem ganz anderen Grund abgehauen ist als dem, dass er ein hoffnungsloser
Holzkopf ist. Vielleicht hatte sie ja Angst, vielleicht wird das Wohnmobil
längst beschattet, und er ist dran, wenn er nicht schnell die Flatter macht.
Aber er ist in einem so beschissenen Zustand, dass er nicht die Flatter macht.
Stattdessen öffnet die lebenslange Superniete Tim Kearney den Kühlschrank und
holt drei Flaschen mexikanisches Bier heraus. Er nimmt sie an den Hälsen, geht
an den Strand und setzt sich. Schaut zu, wie das silbrige Mondlicht auf dem
Wasser tanzt, kippt das Bier hinunter, und als es leer ist, schaut er im
Wohnmobil nach, was von dem Sixpack und der Flasche Tequila noch übrig ist.
Er nimmt das Handy mit raus, für den Fall, dass sie anrufen.
Aber er weiß, dass sie nicht anrufen, und so sitzt er da draußen und
versucht, sich zu Tode zu trinken - immer dieser Mangel an Impulskontrolle -
und das Beste draus zu machen.
Er liegt da am Strand, schaut zu den Sternen hoch und lacht über sich
selbst, weil er gedacht hat, er könnte tatsächlich mit Elizabeth und Kit
zusammen so eine kleine Familie haben und zu dritt irgendwo im Mittelwesten in
so einem Lassie-Häuschen wohnen. Und er lacht sich einen Ast, Tim Kearney, die
Superniete, die größte Niete der Welt, nein, des Universums, bis er nicht mehr
kann vor Lachen, bis er weint und weint und schließlich einschläft. Und er
kommt erst wieder zu sich, als ihn ein säuerlicher, fauliger Gestank
hochschrecken lässt. Als er die Augen aufmacht, beugt sich ein Ziegenbock über
ihn und grinst ihn
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