Boccaccio
ent-
behrte, aber auch schon zu jener Zeit eine der schönsten
Kirchen von Florenz gewesen ist.
Diese Sieben, da sie sich unter gemeldeten Umstän-
den nicht allein in beständiger Todesgefahr, sondern
auch jeglicher Freude und Lustbarkeit durchaus be-
raubt sahen, beschlossen auf den Rat der Pampinea,
welche die Älteste von ihnen war, sich in Gesellscha
auf das Land zu begeben und dort einige Zeit in Ruhe
und heiteren Gesprächen zu verweilen, wobei sie die
gegenwärtige Trauer und Bangnis ein wenig verges-
sen könnten. Und siehe, während sie noch über einige
etwa passende Begleiter und über den Ort ihres Aufent-
haltes beratschlagten, traten drei edle Jünglinge in die-
selbe Kirche, von welchen jeder in eine unter diesen
Damen verliebt war. Ihnen eröffnete Pampinea, wel-
che mit einem derselben verwandt war, ihr Vorha-
ben und forderte sie auf, als Führer und Kavaliere
mit ihnen zu kommen; und sogleich waren die jun-
gen Herren, wie man sich denken kann, von Herzen
gern dazu bereit. Auch diejenigen von den Mädchen,
welche anfänglich einige Scheu gehabt hatten, freuten
sich nun darüber, denn es war sogleich vereinbart wor-
den, daß Sitte und Ehrbarkeit in jeder Weise gewahrt
blieben.
Also begab sich diese hübsche und fröhliche Gesell-
scha edler junger Leute aus der Stadt und hatte die
Wahl des Aufenthaltes zwischen gar vielen Landsitzen,
denn infolge der Pest stand auch auf dem Lande alles
leer und verlassen. Nur zwei Meilen weit vor den Toren
fand sie denn auch auf einem Hügel gelegen einen Pa-
last in der schönsten Umgebung, von Blumenmatten,
Die fröhliche Gesellscha
wohlriechenden Gebüschen und Bäumen und fließen-
dem Wasser umkränzt, mit Garten, Hof und Brunnen;
auch waren Säle, Kammern und Keller wohl versehen.
Hier ließen sie sich mit großem Vergnügen samt ihrer
mitgebrachten Dienerscha nieder, und der Jüngling
Dioneus war der erste, welcher allen vorschlug, die
Sorgen in der Stadt dahinten zu lassen und sich, so
lange es ihnen gefiele, heitere Tage zu machen.
Alsbald schien es ihnen, auf den Rat der Pampinea,
gut, daß an jedem Tage einer aus der Gesellscha zum
Könige ernannt würde, welcher die übrigen samt der
Dienerscha zu beherrschen und alles zum Wohlbeha-
gen und zu guter Unterhaltung Dienliche anzuordnen
habe. Und es wurde für diesen ersten Tag als Königin
die Pampinea gewählt. Diese wieder bestimmte einen
aus der Dienerscha zum Seneschall, andere zum Auf-
warten, zum Kochen und zu sonstigen Diensten, wie in
einem wohleingerichteten Hofstaat. Hierauf begab
sich jedermann, wohin er wollte, und betrachtete die
schönen Gärten, Säle, Lauben, Wiesen, Brunnen und
Quellen, bis es Zeit zu Tische war. Die Tafel war voll
von trefflichen Speisen und ganz mit Ginsterblüten be-
streut, es fehlte nicht an blanken Gläsern noch an Hand-
wasser und weißem Linnengedeck. Nach der Mahlzeit
aber suchte jeder sich einen Ort zur Ruhe und schlief
eine Weile, bis die Königin aufs neue alle zusammen
berief und auf einen schattigen Rasenanger führte.
Nachdem sie ein wenig getanzt und gesungen hatten,
standen wohl Schach- und Damenbretter und genug
andere Spiele bereit, allein der Königin und auch allen
anderen schien es unterhaltsamer und erfreulicher, daß
jeder eine Geschichte, die er wisse, vortrage. So er-
zählte also jeder eine nach seinem Belieben, und am
Ende der zehn Novellen war es Abend geworden, und
sie beschlossen diesen ersten Tag damit, daß Emilia eine
schöne Canzone sang, während Lauretta einen Tanz
dazu aufführte, von Musikinstrumenten begleitet.
Darauf übertrug die Königin ihr Regiment an Philo-
mena, und diese hübsche und kluge junge Dame ord-
nete an, es sollten am Tage ihrer Regierung solche
Geschichten erzählt werden, in welchen einer aus gro-
ßem Unheil unerwartet doch noch entrinnt und ein
glückliches Ziel erreicht. In einer ähnlichen Weise ver-
liefen alle zehn Tage und zwar in dieser Ordnung:
Erster Tag: Unter der Königin Pampinea erzählt ein
jeder, was ihm beliebt und einfällt.
Zweiter Tag: Unter der Königin Philomena werden
die Schicksale solcher vorgetragen, welche unerwartet
aus großem Unheil zu neuem Glücke hervorgingen.
Dritter Tag: Unter der Königin Neiphile spricht man
davon, wie einer durch Scharfsinn ein ersehntes Ziel
erreichte oder etwas Verlorenes zurückgewann.
Vierter Tag: Unter dem König
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