Boccaccio
Philostratus redet
man von Verliebten, deren Liebe ein tragisches Ende
nahm.
Füner Tag: Unter der Königin Fiammetta werden
Geschichten erzählt, in welchen Liebende nach allerlei
Hindernissen und Unfällen doch noch zum Glücke ge-
langen.
Sechster Tag: Unter der Königin Elisa ist die Rede
von schnellen und witzigen Aussprüchen, Antworten
und Neckereien.
Siebenter Tag: Unter dem Könige Dioneus werden
Streiche erzählt, welche Ehemännern von ihren Wei-
bern gespielt wurden.
Achter Tag: Unter der Königin Lauretta spricht man
von Streichen und Possen, welche sowohl Eheleute wie
beliebige andere Personen einander gespielt haben.
Neunter Tag: Unter der Königin Emilia trägt ein
jeder vor, was ihm behagt.
Zehnter Tag: Unter dem König Pamphilus ist die
Rede ausschließlich von Taten des Edelmutes und der
Hochherzigkeit.
Außerdem daß jede dieser hundert Novellen durch
die Art und Person dessen, der sie erzählt, einen beson-
deren Ton und eine eigene Art von Anmut gewinnt,
sind die Erzählungen untereinander noch auf vielfache
und zierliche Weise verbunden. Denn indem zumeist
über die soeben vorgetragene Novelle sich ein kürzeres
oder längeres Gespräch in der Gesellscha entspinnt,
knüp alsdann der nachfolgende Erzähler fast immer
an dieselbe an und bringt eine Historie zum Vortrag,
welche das angeschlagene ema von einer neuen Seite
beleuchtet und deutlicher macht, jedoch ohne daß hier-
durch jemals der Anschein der Eintönigkeit erweckt
würde. Denn bei mancher Ähnlichkeit des emas ist
dennoch jede von diesen Novellen von allen anderen
scharf unterschieden, und es gibt keine zwei darunter,
die man so leicht miteinander verwechseln könnte.
Nächstdem aber ist jeder Schatten von Gleichförmig-
keit auch noch durch andere feine Künste vermieden
worden, indem z. B. Dioneus, welcher der Hauptspaß-
vogel der Gesellscha ist, stets mit völlig unerwarteten
neuen Einfällen dazwischentritt, auch allerlei Anspie-
lungen und Neckereien zwischen den Erzählenden vor-
fallen.
Dazu kommt, daß jeder von den zehn Tagen seine
eigene Geschichte hat, mit allerlei kleinen Zwischen-
fällen, so daß wir außer den täglich erzählten zehn
Geschichten auch die übrigen Beschäigungen und
Lustbarkeiten der Gesellscha erfahren. Daneben ist
der Ort, an welchem sie sich auält und welchen sie
zwischenein auch wechselt, mit Hainen, Teichen, Bä-
chen, Blumen, Wild und Fischen stets auf das Anmu-
tigste und Lebhaeste geschildert, wodurch im Gemüt
des Lesenden teils ein fortwährendes Behagen, teils
auch eine milde, angenehme Sehnsucht nach solchen
auserlesen köstlichen Gegenden erregt wird. Denn der
Dichter hat dieselben zwar einigen Örtern ähnlich ge-
bildet, welche man in der Nähe von Florenz und na-
mentlich im Tal des Mugnone antri, allein dennoch
hat er sie in solcher Art geschmückt und dargestellt,
wie es nur ein wahrer Künstler vermag, so daß sie alle
etwas Verschöntes und wahrha Paradiesisches an sich
tragen.
So ist denn unter den zahlreichen Büchern, in wel-
chen ein einzelner viele verstreute Erzählungen gesam-
melt hat, in aller Welt kein einziges, welches irgendwie
an Schönheit und Kunst dem Dekameron vergleichbar
wäre. Der es seinerzeit geschrieben hat, tat es zum
Trost der unglücklichen Liebenden und vornehmlich
zur Erfreuung der Frauen, welchen denn auch das
ganze Werk in einem vortrefflichen Prologe zugeeignet
ist.
Man hört gar häufig sagen, das Dekameron sei ein
unanständiges und verwerfliches Buch. Und
diejenigen, welche dies sagen und gerne predigen, sa-
gen es zum Teil nach dem bloßen Hörensagen, zum Teil
aber kennen sie das verwerfliche Buch sehr gut und
lesen es in der Stille häufig. Was nun die Unanständig-
keit betri, welche stets in Büchern viel heiger als im
Leben bekämp wird, so kann und mag ich sie keines-
wegs leugnen. Als ich einstmals in demselben Tal des
Mugnone, wo es seinen Schauplatz hat, das Dekameron
in einem schönen Frühlingsmonat ganz durchlas,
pflegte ich der Wärme wegen frische Limonen dazu zu
speisen. Und nun hatte ich die Gewohnheit, daß ich bei
jeder Novelle, die mir unanständig erschien, einen Li-
monenkern in meine Tasche steckte, und als ich ganz zu
Ende gelesen hatte, zählte ich neununddreißig solche
Kerne. Hiernach wäre denn etwas mehr als ein Dritteil
des Dekameron von unanständiger
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