Bockmist
Fernsehstecker rausgezogen, Kühlschrank abgetaut.
»Und was wird aus dir?« fragte sie nach einiger Zeit. »Wenn die nun einmal so sind, was werden sie dir dann antun? Sie werden auch dich ermorden, oder? Egal ob du ihnen hilfst oder nicht, am Ende werden sie dich ermorden.«
»Sie werden es jedenfalls versuchen, Ronnie. Das muß ich zugeben.«
»Und was hast du alles nicht zugegeben?«, kam es wie aus der Pistole geschossen, aber ich glaube, sie meinte es nicht so, wie es klang.
»Man versucht nicht zum erstenmal, mich umzubringen, Ronnie«, sagte ich, »aber man hat’s noch nie geschafft. Ich weiß, daß du mich für einen Trottel hältst, der nicht mal imstande ist, den Einkauf zu erledigen, aber in anderer Hinsicht kann ich ganz gut auf mich selbst aufpassen.« Ich machte eine Pause, um zu sehen, ob sie lächelte. »Wenn alles andere den Bach runtergeht, such’ ich mir ‘ne piekfeine Tussi mit Sportwagen, und die kann dann auf mich aufpassen.«
Sie sah hoch und lächelte fast.
»Davon hast du doch schon eine«, sagte sie und zog ihre Brieftasche heraus.
Während wir beim Essen saßen, hatte es angefangen zu regnen, und da Ronnie bei ihrem TVR das Verdeck nicht hochgeklappt hatte, pesten wir voll Stoff durch Mayfair, um ihre Sitzbezüge aus feinstem Connollyleder zu retten.
Ich kämpfte mit den Verschlüssen am Verdeck und versuchte herauszufinden, wie ich wohl die fünfzehn Zentimeter zwischen Rahmen und Windschutzscheibe überbrücken sollte, als ich eine Hand auf der Schulter spürte. Ganz locker bleiben, sagte ich mir.
»Sieh mal einer an, wen haben wir denn da?«, fragte eine Stimme.
Ich richtete mich langsam auf und musterte den Sprecher.
Er hatte ungefähr meine Statur und annähernd mein Alter, war aber wesentlich reicher. Sein Hemd stammte aus der Jermyn Street, sein Anzug aus der Savile Row und seine Stimme aus einer unserer teureren Privatschulen. Ronnie tauchte aus dem Kofferraum auf, wo sie die Persenning verstaut hatte.
»Philip«, sagte sie, womit ich im großen und ganzen auch gerechnet hatte.
»Verd … wer ist das?«, fragte Philip und ließ mich nicht aus den Augen.
»Sehr erfreut, Philip.«
Ich versuchte nett zu bleiben. Ehrlich, ich tat, was ich konnte.
»Verpiß dich«, sagte Philip. Er drehte sich zu Ronnie. »Ist das die Arschgeige, die mir den ganzen Wodka weggesoffen hat?«
Ein Touristenknäuel in bunten Anoraks blieb stehen, lächelte uns drei an und hoffte, daß wir echte Busenfreunde waren. Ich hoffte das auch, aber manchmal ist Hoffnung eben nicht genug.
»Philip, nun sei doch nicht so kleinkariert.« Ronnie warf den Kofferraum zu und kam ums Auto herum. Das Kräftefeld verlagerte sich etwas, und ich versuchte mich aus der Gruppe davonzustehlen. In eine voreheliche Szene verwickelt zu werden, hatte mir gerade noch gefehlt, aber Philip wollte von meinem Abgang nichts wissen.
»Scheiße, Mann, wo willst du denn plötzlich hin?«, fragte er und hob das Kinn noch ein Stück.
»Weg.«
»Philip, laß doch.«
»Du kleiner Scheißer. Wofür hältst du dich eigentlich, verdammt noch mal?« Er packte mich mit der rechten Hand am Jackenaufschlag. Er hielt ihn fest, aber nicht so fest, als wäre er völlig versessen darauf, sich mit mir zu prügeln. Was mich aufatmen ließ. Ich sah erst seine Hand und dann Ronnie an. Ich wollte ihr die Chance geben, die Rauferei noch abzublasen.
»Philip, bitte sei doch kein Narr.«
Was so ziemlich das Dümmste war, was sie sagen konnte. Wenn ein Mann mit Volldampf in eine Ecke zurücksetzt, dann ist der Anreiz, auf die Bremse zu treten, denkbar gering, wenn eine Frau ihm sagt, er sei ein Narr. Ich an ihrer Stelle hätte mich entschuldigt, ihm die Wange gestreichelt, gelächelt oder sonstwas unternommen, um den Adrenalinstrom umzulenken.
»Ich hab’ dich was gefragt«, sagte Philip. »Wofür hältst du dich eigentlich? Bedienst dich aus meiner Bar, schiebst in meiner Wohnung ‘ne Nummer?«
»Bitte lassen Sie mich los«, sagte ich. »Sie zerknautschen mir die Jacke.« Vernünftig, wissen Sie. Nichts von wegen »Dir zieh’ ich die Hammelbeine lang«, »Gleich gibt’s Senge« oder »Dir hau’ ich die Plomben aus den Beißerchen« und was man bei der Konfliktbewältigung im Alltag sonst noch alles verspricht. Ausschließlich aufrichtige Sorge um meine Jacke.
Von Mann zu Mann.
»Deine Jacke ist mir so was von scheißegal, du kleines Arschloch.«
Sehen Sie. Erst nachdem alle diplomatischen Kanäle ausprobiert und für nicht
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