Bockmist
müsse in die Werkstatt. Die Bremsen hätten versagt, und ich wisse nicht, wie sehr ich mich verspäten würde.«
Ich ließ mir das kurz durch den Kopf gehen.
»Aber wenn deine Bremsen versagt hätten, wärst du doch schneller dagewesen, oder?«
Sie lachte und stellte mir einen Teller mit schwarzem, weißem und gelbem Zeug hin. Es sah unsagbar aus und schmeckte köstlich.
»Danke, Thomas.«
Wir gingen im Hyde Park so für uns hin, und nichts zu suchen, war unser Sinn. Wir hielten Händchen und ließen wieder los, als wäre Händchenhalten die einfachste Sache von der Welt. Die Sonne schaute in der Stadt vorbei, und London zeigte sich von seiner besten Seite.
»Danke wofür?«
Ronnie blickte verlegen auf den Boden.
»Daß du letzte Nacht nicht versucht hast, mit mir zu schlafen.«
»Gern geschehen.«
Ich war wirklich aufgeschmissen, was ich davon halten sollte. Hatte sie das Gespräch damit eingeleitet, oder war es schon zu Ende? »Danke fürs Danken«, sagte ich noch, damit es endgültiger klang.
»Ach, sei doch still.«
»Nein, ohne Flachs«, meinte ich. »Ich find’ das toll. Ich zieh’ permanent los und versuch’, mit Millionen Frauen nicht zu schlafen, und normalerweise krieg’ ich dafür kein Dankeschön. Ist also mal was anderes.«
Wir spazierten weiter. Eine Taube flog uns entgegen und drehte in letzter Sekunde ab, als hätte sie plötzlich gemerkt, daß sie uns mit jemandem verwechselt hatte. Durch die Rotten Row trotteten ein paar Pferde mit Männern in Tweedjacken im Sattel. Wahrscheinlich Gardetruppen der Queen. Die Pferde sahen ganz intelligent aus.
»Hast du im Moment jemanden?«, fragte Ronnie.
»Darf ich annehmen, daß sich deine Frage auf Frauen bezieht?«
»Der Kandidat hat hundert Punkte. Schläfst du mit jemandem?«
»Mit ›schlafen‹ meinst du vermutlich …?«
»Wenn du nicht sofort meine Frage beantwortest, ruf ich die Polizei.« Sie lächelte. Meinetwegen. Ich hatte sie zum Lächeln gebracht, und das war ein schönes Gefühl.
»Nein, Ronnie, ich schlafe zur Zeit mit keiner Frau.«
»Einem Mann?«
»Auch nicht mit Männern oder Tieren. Mit Nadelholzgewächsen übrigens auch nicht.«
»Warum nicht, wenn ich fragen darf? Und auch, wenn ich nicht darf?«
Ich seufzte. Das wußte ich selbst nicht so genau, aber ihr das zu sagen, würde meinen Kopf kaum aus der Schlinge ziehen. Ich plapperte einfach drauflos, ohne im Grunde zu wissen, was dabei herauskommen würde.
»Weil Sex mehr Unglück als Lust bereitet«, sagte ich. »Weil Mann und Frau nicht das gleiche wollen, und am Ende ist immer einer enttäuscht. Weil ich selten darum gebeten werde und es nicht ausstehen kann, wenn ich darum betteln muß. Weil ich’s nicht besonders gut kann. Weil ich mich ans Alleinleben gewöhnt habe. Weil mir keine Gründe mehr einfallen.« Ich holte Luft.
»Gut«, sagte Ronnie. Sie drehte sich um und ging rückwärts weiter, damit sie mein Gesicht besser sehen konnte. »Welcher davon ist der eigentliche Grund?«
»B«, sagte ich nach einigem Nachdenken. »Wir wollen nicht das gleiche. Männer wollen mit einer Frau schlafen. Dann wollen sie mit einer anderen Frau schlafen. Und dann mit der nächsten. Dann wollen sie Cornflakes essen und eine Runde pofen, und dann wollen sie mit einer anderen Frau schlafen, und wieder einer anderen, bis sie nicht mehr ins Bett, sondern in die Kiste hüpfen. Frauen dagegen«, hier mußte ich meine Worte sorgfältiger wählen, da ich ein Geschlecht beschrieb, dem ich nicht angehörte, »Frauen wollen eine Beziehung. Sie kriegen sie vielleicht nicht oder erst, wenn sie mit vielen Männern geschlafen haben, aber darauf läuft es letztlich hinaus. Das ist ihr Ziel. Männer haben keine Ziele. Nicht von Natur aus. Deswegen basteln sie sich Zielscheiben, stellen sie am Ende von Schießplätzen auf, und dann erfinden sie den Krieg. Oder sie versuchen, reich zu werden, oder lassen sich sonst einen Blödsinn einfallen, um die Tatsache zu kaschieren, daß sie keine echten Ziele haben.«
»Und dieser Quatsch mit Soße soll der große Unterschied sein?«, fragte Ronnie.
»Ja – obwohl es da auch noch den kleinen Unterschied gibt.«
»Glaubst du denn allen Ernstes, daß ich eine Beziehung mit dir will?«
Kitzlig. Schmetterball direkt vom Netz aus.
»Keine Ahnung, Ronnie. Ich maße mir kein Urteil darüber an, wonach du dich im Leben sehnst.«
»Noch mehr Quatsch mit Soße. Reiß dich doch mal am Riemen, Mann.«
»Hilfst du mir dabei?«
Ronnie blieb stehen.
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