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Bodenlose Tiefe

Bodenlose Tiefe

Titel: Bodenlose Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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Tag.
    Carolyn Mulan wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus dem Nacken, bevor sie ans Fenster trat, um auf die Parliament Street hinunterzuschauen. Die Klimaanlage war mal wieder ausgefallen und sie konnte es nicht erwarten, ihre Praxis zu verlassen, an den Strand zu fahren und schwimmen zu gehen.
    Vielleicht würde sie mit dem Boot nach Paradise Island rüberfahren. Nein, sie würde warten, bis sie das zusammen mit Melis tun konnte. Mit ein bisschen Glück würde sie sie nächste Woche von ihren Delphinen fortlocken können.
    Noch ein Patient, dann konnte sie Feierabend machen.
    Es klopfte an der Tür und gleich darauf trat ein Mann ein.
    »Dr. Mulan? Entschuldigen Sie, dass ich hier so hereinplatze, aber Ihre Sekretärin ist nicht an ihrem Platz«, sagte der Mann zögernd. Er war etwa Mitte vierzig, klein und blass und trug einen blauen Anzug, in dem er sie vage an irgendeine stereotype Figur aus einer bekannten Fernsehshow erinnerte. Allerdings hatte sie gelernt, dass es keine Stereotypen gab. Jeder Patient war ein Individuum und hatte das Recht, als solches behandelt zu werden.
    »Maria ist nicht an ihrem Platz? Das passt aber gar nicht zu ihr. Sie wird bestimmt bald zurückkommen.« Sie lächelte.
    »Bitte, treten Sie ein. Entschuldigen Sie, ich habe Ihren Namen vergessen.«
    »Archer. Hugh Archer.« Er kam herein und schloss die Tür.
    »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, ich bin das gewöhnt.
    Ich weiß, dass ich ein unauffälliger Typ bin, den man schnell wieder vergisst.«
    »Unsinn. Nur habe ich normalerweise die Patientenkarte vor mir liegen.« Sie ging auf die Tür zu. »Ich werde sie mir eben holen, dann können wir uns unterhalten.«
    »Hervorragend.« Er wich nicht von der Tür. »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie sehr ich darauf brenne, mich mit Ihnen zu unterhalten.«

    Um kurz nach drei klingelte Kelbys Handy.
    »Ich habe Lyons erreicht«, sagte Wilson. »Er ist auf dem Weg nach Tobago. Er schien ganz froh über einen Grund, Russland zu verlassen.«
    »Das kann ich verstehen. Auf den Antillen ist es viel angenehmer.«
    »Ja, und die Polizei geht hier längst nicht so hart gegen Schmuggler vor.«
    »Stimmt.«
    »Und ich werde mich wohl in ein Flugzeug setzen und nach Nassau fliegen müssen.«
    »Warum?«
    »Ich kann Carolyn Mulan nicht erreichen. Ich versuche immer wieder, sie anzurufen, aber es sieht so aus, als müsste ich sie persönlich aufsuchen.«
    »Haben Sie es in Ihrer Praxis versucht?«
    »Anrufbeantworter. Sie hat eine Sekretärin, Maria Perez, aber die erreiche ich auch nicht.«
    »Das gefällt mir gar nicht.«
    »Es ist nichts Ungewöhnliches, dass sie nicht nach Hause kommt. Laut Auskunft ihrer Mitbewohnerin hat Maria mehrere Liebhaber in der Stadt.«
    »Und Carolyn Mulan?«
    »Sie ist Mitte fünfzig und geschieden. Hat zurzeit keinen Lebensabschnittspartner. Sie lebt mehr oder weniger auf ihrem Boot, wenn sie nicht in ihrer Praxis ist.«
    »Geben Sie mir Bescheid, sobald Sie Kontakt zu ihr aufgenommen haben.« Er legte auf und ging an Deck. Es war heiß und feucht und das Meer erstreckte sich vor ihm wie ein dunkler Teppich. Verdammt, die Sache mit Carolyn Mulan gefiel ihm überhaupt nicht. Womöglich war noch jemand anders auf die Idee gekommen, dass Melis Nemids Therapeutin von Nutzen sein konnte.
    Er war in Versuchung, die Motoren anzuwerfen und zu Melis’
    Insel hinüberzufahren. Er hatte es satt, herumzusitzen und Däumchen zu drehen. Geduld war noch nie seine Stärke gewesen und jetzt, wo Marinth zum Greifen nahe war, wurde er regelrecht rastlos.
    Himmel, er führte sich auf wie ein Kind. Wilson würde Carolyn Mulan schon finden. Er musste die Ruhe bewahren, denn wenn er Melis Nemid falsch anpackte, konnte er alles vermasseln. Nein, er würde warten.

    Um zwei Uhr fünfunddreißig wurde Melis vom Klingeln des Telefons aus dem Tiefschlaf gerissen.
    »Melis?«
    Die Stimme klang heiser, Melis erkannte sie nicht gleich.
    »Melis, ich – du musst herkommen.«
    Carolyn.
    Sofort saß Melis aufrecht im Bett. »Carolyn? Bist du das? Was ist los? Du klingst so –«
    »Alles in Ordnung. Du musst unbedingt –« Ihr versagte die Stimme. »Es tut mir leid, o Gott, es tut mir leid. Cox. Ich wollte nie – Komm nicht. Alles Lügen. Komm um Himmels willen nicht her.«
    Die Verbindung wurde unterbrochen.
    Melis nahm ihr Adressbuch, schlug es auf und wählte Carolyns Nummer.
    Niemand meldete sich.
    Sie rief bei ihr zu Hause und in der Praxis an. Beide Male geriet sie an den

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