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Bodenlose Tiefe

Bodenlose Tiefe

Titel: Bodenlose Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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nahm gerade den Telefonhörer ab und begann zu sprechen. »Warum dauert das so lange? Glauben Sie, der weiß, was er tut?«
    »Er wirkt jedenfalls ziemlich kompetent. Und er will sie wirklich finden, Melis.«
    Und warum passierte dann nichts? In all den Stunden, die sie jetzt schon warteten, hatten sie noch nichts Neues gehört. »Es kann doch nicht sein, dass niemand gesehen hat, wie Maria und Carolyn aus der Praxis entführt wurden.«
    »Die haben bestimmt noch nicht alle Zeugen vernommen. Es ist immer noch möglich, dass – Mist.« Er unterbrach sich, den Blick auf Halley geheftet, der gerade den Hörer auflegte. »Seine Körpersprache gefällt mir nicht.«
    Melis erstarrte. Halley stand auf und kam auf die Tür zum Wartezimmer zu. Seine Schultern waren gestrafft und sein Gesichtsausdruck …
    »Ms Nemid, es tut mir leid«, sagte er mit sanfter Stimme.
    »In der Nähe des Hotels Castle wurde eine Frauenleiche an den Strand gespült. Eine Frau von etwa fünfzig Jahren, groß, graue Haare. Wir nehmen an, dass es sich um Carolyn Mulan handelt.«
    »Sie nehmen es an? Warum wissen Sie es nicht?«
    »Die Leiche ist … verstümmelt. Sie wird gerade zur Identifizierung ins Leichenschauhaus gebracht.«
    »Ich möchte sie sehen. Ich kann Ihnen sagen, ob es sich um Carolyn handelt.«
    »Möglicherweise werden Sie sie nicht erkennen. Ihr Gesicht ist ziemlich … zerfetzt.«
    Melis’ Hände ballten sich zu Fäusten und ihre Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen. »Ich kenne sie seit Jahren. Sie steht mir näher als eine Schwester. Ich kann Ihnen sagen, ob sie es ist.«
    »Sie werden diese Leiche nicht sehen wollen, Ms Nemid.«
    »Blödsinn!« Ihre Stimme zitterte. »Vielleicht ist sie es gar nicht. Ich will nicht, dass Sie aufhören, nach ihr zu suchen, während Sie auf die Ergebnisse der DNA-Analyse oder der Zahnvergleiche warten. Ich muss mich mit eigenen Augen überzeugen, ob sie es ist oder nicht.«
    Halley sah Kelby an. »Wenn sie sagt, dass sie in der Lage ist, die Tote eindeutig zu identifizieren, kann ich ihr Angebot nicht ablehnen. In einem Mordfall ist die Zeit von entscheidender Bedeutung. Trotzdem gefällt mir das nicht. Könnten Sie ihr das vielleicht ausreden?«
    Kelby schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte es. Aber es ist zwecklos.«
    »Wahrscheinlich ist sie es gar nicht.« Melis befeuchtete sich die Lippen. »Sie kennen sie nicht. Sie ist so stark. Sie ist die stärkste Frau, der ich je begegnet bin. Sie würde nicht zulassen, dass ihr etwas zustößt. Ich bin sicher, dass es sich um jemand anderen handelt.«

    »Warum wollen Sie sich das dann antun?«, fragte Kelby barsch.
    »Ein paar Stunden oder ein Tag machen keinen großen –«
    »Halten Sie sich da raus, Kelby. Ich muss –« Sie wandte sich an Halley. »Können Sie mich mitnehmen zu diesem …
    Leichenschauhaus?«
    »Ich bringe Sie hin.« Kelby nahm ihre Hand. »Bringen wir es hinter uns, Halley.«

    In dem Raum war es kalt.
    Der Edelstahltisch, auf dem die Leiche unter einem Tuch verborgen lag, strahlte eine noch größere Kälte aus.
    Die ganze Welt war kalt. Wahrscheinlich war das der Grund, warum sie nicht aufhören konnte zu zittern.
    »Sie können es sich immer noch anders überlegen«, murmelte Kelby. »Sie müssen das nicht tun, Melis.«
    »Doch, ich muss.« Sie trat näher an den Tisch. »Ich muss wissen –« Sie holte tief Luft, dann sagte sie zu Halley: »Decken Sie ihr Gesicht auf.«
    Nach kurzem Zögern schlug Halley das Tuch zurück.
    »O Gott.« Sie taumelte gegen Kelby. »O mein Gott, nein.«
    »Los, raus hier«, sagte Kelby und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Wir müssen sie von hier wegbringen, Halley.«
    »Nein.« Sie schluckte und trat noch einen Schritt näher.
    »Es könnte immer noch … Vielleicht ist es … Sie hat einen Leberfleck unter den Haaren an der linken Schläfe. Sie wollte ihn immer entfernen lassen und ist nie dazu gekommen.«
    Vorsichtig schob sie die Haare aus den Überresten des Gesichts der Frau.
    Bitte, lieber Gott, mach, dass sie es nicht ist. Mach, dass diese arme, zerfleischte Frau nicht Carolyn ist.
    »Melis?«, sagte Kelby.

    »Mir … ist schlecht.« Sie schaffte es kaum zu den Edelstahlbecken an der Wand, bevor sie sich übergab.
    Verzweifelt klammerte sie sich an den kalten Beckenrand, um nicht zu Boden zu stürzen.
    Im nächsten Augenblick war Kelby an ihrer Seite und hielt sie.
    Direkt an ihrem Ohr konnte sie sein Herz schlagen hören.
    Leben. Carolyns Herz würde nie

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