Bodenlose Tiefe
besonders interessanter Fall.«
Sie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen.
Erneut wurde ihr die Komplexität seines Charakters bewusst.
Was steckte hinter dem scheinbar offenen Lächeln? »Sie auch.
Warum begleiten Sie uns? Wegen Marinth?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich habe eine Vorliebe für Geld und ich mag Kelby. Und bei dem Feuerwerk, das hier losgeht, hab ich mir gesagt, wird es vielleicht wie in alten Zeiten. Ich bin ein Einzelgänger wie Sie, ich lasse nicht viele Leute nah an mich ran.«
»Feuerwerk? Sie waren mit Kelby bei den SEALs, nicht wahr?«
Er nickte. »Und hinterher sind wir eine Weile zusammen durch die Welt gezogen. Schließlich sind wir dann beide unserer Wege gegangen.«
»Wenn man Kelbys Herkunft in Betracht zieht, kann man sich kaum vorstellen, dass er bei den SEALs war.«
Sie schaute in ihre Kaffeetasse. »Nach allem, was ich über ihn gelesen habe, muss er ein ziemlich undisziplinierter Charakter sein. War er denn gut?«
Er schwieg eine Weile. »Komplizierte Frage.«
»Ach ja?«
»Mal sehen, ob ich mit meinen schamanischen Kräften sehen kann, was es mit ihm auf sich hat. Also. Archer ist ein sehr gefährlicher Mann. Und Sie wollen wissen, ob Kelby Ihnen seinen Kopf auf einem Silbertablett servieren kann?«
Sie nickte. »In etwa.«
»Ich mag Frauen, die nicht zimperlich sind.« Er musterte sie.
»Was halten Sie von Kelby?«
»Er ist zäh. Zäh genug?«
»Was glauben Sie, wie hart allein die Grundausbildung bei den SEALs für Kelby war? Eigentlich sollen für alle die gleichen Bedingungen gelten, aber er war ein reicher junger Mann, der dauernd die Medien im Nacken hatte. Es gibt verdammt viele Möglichkeiten, einem Kameraden das Leben zur Hölle zu machen, und die Rekruten haben sie alle an Kelby ausprobiert.«
»Sie auch?«
»Aber klar. Ich kann genauso sadistisch sein wie jeder andere.
Vielleicht sogar noch mehr. Ich habe schon immer viel davon gehalten, Menschen zu testen. Andere Menschen und auch mich selbst. Nur so kann man Erfolg haben. Man setzt die Latte hoch an und versucht, darüber zu springen, und wenn man es nicht schafft, tritt man zur Seite und lässt anderen den Vortritt. Und man macht kein Theater, wenn man blaue Flecken abbekommt.
Der Stärkere überlebt.«
»Das ist eine ziemlich brutale Philosophie.«
»Vielleicht liegt das am Indianerblut in meinen Adern. Oder es ist meine Slum-Mentalität. Es trifft für beides zu.«
»Sie sind ganz schön stolz auf Ihr Indianerblut, nicht wahr?«
»Wenn man nicht stolz auf sich selbst ist, dann ist man arm dran.« Er lächelte. »Ich mache Witze darüber, aber beim Jagen und Spurenlesen komme ich mir manchmal vor wie in den Zeiten des Wilden Westens. Die Jagd hat mich schon immer fasziniert. Vielleicht bin ich deswegen zu den SEALs gegangen.« Er zuckte die Achseln. »Jedenfalls hat Kelby während der Grundausbildung eine Menge einstecken müssen, sich aber trotzdem nicht unterkriegen lassen. Er war ein zäher Bursche.« Lyons grinste. »Und später hat er es uns allen heimgezahlt.«
»Das klingt, als wäre er ziemlich belastbar.«
»Belastbar?« Er wurde ernst. »So könnte man es sagen.
Wollen Sie was über Belastbarkeit hören? Wir waren bei einem Einsatz im Irak, während des Golfkriegs, und die Luftaufklärung hatte im Norden des Landes ein kleines, unterirdisches Labor für biologische Waffen ausfindig gemacht. Unsere Einheit hatte den geheimen Auftrag, dieses Labor zu zerstören. Man fürchtete, dass die öffentliche Meinung sich gegen den Krieg richten würde, wenn bekannt würde, dass die Truppen biologischer Kriegsführung ausgesetzt werden könnten. Aber die ganze Sache ist von Anfang an schief gelaufen. Wir haben das Labor gesprengt, doch wir haben zwei Männer verloren und Kelby und ich wurden von Angehörigen eines dort ansässigen Stammes gefangen genommen, bevor wir den Hubschrauberlandeplatz erreichen konnten.
Die Iraker haben die Produktion biologischer Waffen ja nach wie vor abgestritten, also haben sie uns in ein kleines Gefängnis mitten in der Wüste gesteckt und Saddam benachrichtigt, dass zwei amerikanische SEALs geschnappt worden waren.
Daraufhin verlangte Saddam von uns Geständnisse und eine Verurteilung der amerikanischen Kriegshandlungen. Ich weiß nicht, warum sie sich Kelby zuerst vorgeknöpft haben.
Vielleicht hatten sie rausgefunden, wie reich er war, und wollten an ihm die Verweichlichung eines Großkapitalisten demonstrieren.«
»Sie haben ihn
Weitere Kostenlose Bücher