Bodenlose Tiefe
zu dicht an der Insel. Cobb sagt, dass Lyons die Insel mehrmals verlassen hat. Heute Abend hat er ihn in Richtung Tobago abdüsen sehen.«
»Ich überleg’s mir, aber er kann nicht wissen, wo wir sind.«
Archer schaute nachdenklich zum Strand hinüber. »Kelby scheint langsam aktiv zu werden. Aber ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass es lange dauern würde, bis er anfängt, seine Fühler auszustrecken. Unsere kleine Melis wird ihm wohl geben, was er haben will.«
»Und warum? Lontana hat sie auch nicht geholfen.«
»Aber da war ich noch nicht mit im Spiel. Jetzt fühlt sie sich bedroht.« Und sie würde sich noch viel mehr bedroht fühlen, dachte Archer voller Vorfreude. Melis Nemid erwies sich als ausgesprochen reizvoll. Als er anfangs die Bänder abgehört und die Patientenakte studiert hatte, war er lediglich an einer Waffe interessiert gewesen. Aber inzwischen konnte er sich jede Szene vorstellen, alle Gefühle nachvollziehen, die sie vor all den Jahren durchlebt hatte. Es war unglaublich erregend. »Sie wird Kelby alles geben, was er will, um sich selbst zu retten.«
»Die Schrifttafeln und die Forschungsunterlagen?«
»Möglich. Ich schätze, dass er in erster Linie auf Marinth aus ist, aber nach allem, was ich über ihn gehört habe, hat er gern alles unter Kontrolle und geht immer aufs Ganze.« Er lächelte.
»Aber es wird ihm nicht gelingen. Ich werde derjenige sein, der die Forschungsunterlagen kriegt.«
Und Melis Nemid würde er Kelby auch nicht überlassen. Je intensiver sein Kontakt zu der Frau wurde, umso klarer wurde ihm, dass die Beziehung zu ihr fortgesetzt werden musste, damit er wirklich befriedigt sein würde.
Es gab noch so viele Möglichkeiten, sie zu quälen.
Und erst wenn er sie alle ausgekostet hatte, würde er ihr den Rest geben.
Mitten in der Nacht klingelte Kelbys Handy.
»Ich habe Archers Beobachtungsposten gefunden«, sagte Nicholas, als Kelby sich meldete. »Ein schwarzweißes Motorboot. Es liegt in der Bucht einer Insel, knapp drei Kilometer von hier entfernt. Nah genug, um Melis im Auge zu behalten, aber weit genug entfernt, um nicht bemerkt zu werden.
Ich befinde mich mit meinem Boot in etwa einem Kilometer Entfernung von ihm hinter ein paar überhängenden Bäumen.«
»Bist du sicher, dass es Archers Boot ist?«
»Diese Beleidigung möchte ich überhört haben. Ich sitze ihm direkt im Nacken. Er wird euch sehen, wenn ihr die Insel verlasst. Du musst dich erst in Richtung Tobago halten und dann in einem Bogen zurückkehren. Kommst du?«
Kelby schwang seine Beine aus dem Bett. »Bin schon unterwegs. Sag mir, wie ich fahren soll.«
Der große, aschblonde Mann auf dem schwarzweißen Motorboot beobachtete Lontanas Insel mit einem starken Fernglas.
Kelby ließ sein Nachtsichtgerät sinken und wandte sich an Nicholas. »Wird der irgendwann abgelöst?«
»Wahrscheinlich. Ich bin seit Mitternacht hier und habe nur ihn gesehen. Aber hier draußen auf einem Boot zu hocken ist nicht gerade gemütlich.«
»Vielleicht ist er für die Nachtschicht eingeteilt.« Kelby warf einen Blick auf seine Uhr. »Es dauert noch ein paar Stunden bis zur Dämmerung. Fahr du zur Insel zurück, ich übernehme hier.«
»Willst du ihm folgen, wenn er abgelöst wird?«
»Natürlich. Wenn Archer vorgestern Abend hier war, ist er womöglich noch in der Nähe. Offenbar ist er gern am Ort des Geschehens.«
»Genau wie du«, erwiderte Nicholas. »Könntest du diese Aufgabe nicht an mich delegieren?«
Kelby schüttelte den Kopf. »Den Widerling will ich mir selber vorknöpfen. Fahr zurück zur Insel und pass auf Melis auf. Aber ich möchte nicht, dass sie hiervon etwas erfährt. Es könnte immer noch schief gehen.«
Nicholas zuckte die Achseln. »Wie du willst.« Er ließ den Bootsmotor an. »Halt mich auf dem Laufenden.«
Kelby machte es sich auf seinem Boot bequem und schnappte sich wieder das Fernglas.
Es dämmerte gerade, als Dave Cobb sein Boot in Tobago am Pier vertäute und zu seinem Hotel am Hafen ging.
Im Eingangsbereich des heruntergekommenen Hotels mischte sich der Geruch nach Putzmitteln mit dem Duft der tropischen Blumen, die in einer Vase auf dem Tresen standen. Der Geruch war ihm ebenso zuwider wie alles andere an dieser Stadt, dachte Cobb, als er mit dem Aufzug in den dritten Stock fuhr. Er hatte Pennig gebeten, ihm ein Hotel in der Innenstadt zu besorgen, aber der Mistkerl hatte darauf bestanden, dass er sich am Hafen zur Verfügung hielt.
In seinem Zimmer angekommen,
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