Bodenlose Tiefe
ist ein Teil von dir.«
»Wahrscheinlich hast du Recht. Also gut, keine Schuldgefühle.« Sie warf das Handtuch aufs Bett. »Aber wir müssen hier weg. Ich will kein Risiko mehr eingehen. In dem Tank da draußen geben die Delphine perfekte Zielscheiben ab.
Archer hätte sie mit Leichtigkeit töten können, nachdem er Manuel und Cal aus dem Weg geräumt hatte. Es ist mir egal, ob dein Schiff vollständig ausgerüstet ist oder nicht. Morgen früh muss ich zur Polizei, um eine Aussage zu machen, und anschließend werden wir Las Palmas verlassen. Wir müssen zusehen, dass wir Marinth möglichst schnell finden und dann werden wir uns Archer an die Fersen heften. Er wird mir zu gefährlich.«
Er nickte. »Ich widerspreche dir nicht. Niemand wartet so sehnlich darauf, dass wir endlich auslaufen, wie ich.«
»Nein, natürlich nicht.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Marinth winkt am Horizont.«
»Da hast du verdammt Recht. Hast du etwa erwartet, ich würde leugnen, dass ich immer noch scharf darauf bin? Aber zuerst müssen wir uns über Lontanas Forschungsunterlagen und Schrifttafeln unterhalten. Du hast gesagt, sie befänden sich hier?«
»Nicht direkt. Sie sind auf einer winzigen Insel in der Nähe von Lanzarote.«
»Auf welcher Insel?«
»Cadora. Die Unterlagen und Schrifttafeln liegen in einem Versteck am Hang eines erloschenen Vulkans. Auf Cadora leben nur ein paar tausend Menschen, die meisten davon an der Küste.
Es ist ein schönes Fleckchen Erde. Phil und ich haben mal eine Zeit lang in einem kleinen Haus auf der Insel gewohnt.« Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. »Um Lebensmittel und andere Dinge einzukaufen, mussten wir natürlich immer nach Lanzarote fahren. Cadora ist nicht gerade ein Einkaufsparadies.«
»Versteckt? Ich hätte gedacht, Phil würde so etwas Wertvolles in einem Banktresor unterbringen.«
»Du hast Phil nicht gut gekannt. Zu Banken hatte er kein Vertrauen. Er hat alles in eine große Truhe gepackt und vergraben. Er hat mir immer erzählt, die Piraten hätten ihre Schätze auch vergraben und meistens wären sie jahrhundertelang nicht gefunden worden.«
»Damals war die Welt aber noch nicht mit Menschen überfüllt.«
»Seine Welt war es auch nicht. Sie war eher voller Träume.«
Trauer überkam sie. »So vieler Träume.«
»Vertraust du mir genug, um mir zu sagen, wo ich die Schrifttafeln finde, damit ich sie holen und in einem Banktresor in Sicherheit bringen kann?«
»Nein.« Als sie sah, wie er zusammenzuckte, fügte sie hastig hinzu: »Das ist keine Frage des Vertrauens. Aber ich brauche die Tafeln vielleicht noch als Köder für Archer. Sie bleiben, wo sie sind. Ich möchte nicht, dass sie in einem Tresor liegen, wo niemand an sie rankommt.«
»Und du traust niemandem außer dir selbst.«
»Ich glaube nicht, dass du dich für Phils Forschungsergebnisse interessierst.«
»Aber ich interessiere mich für die Schrifttafeln und die Transskripte. Und das weißt du.«
»Natürlich. Du bekommst sie auch – sobald wir Archer haben.« Sie wandte sich ab. »Ich muss mich ausruhen. Ich muss morgen früh aufstehen. Gute Nacht.«
»Bin ich entlassen?«
»Ich komme nicht mit in deine Kabine. Im Moment steht mir nicht der Sinn nach Sex.«
»Sag bloß.« Er stand auf. »Nein, du fühlst dich traurig und leer und verängstigt.« Er trat einen Schritt näher. »Aber das würdest du niemals zugeben.« Er nahm sie in die Arme. »Gott, bist du schwierig. Mach dich nicht so steif. Ich versuche nicht, dich zu besteigen. Ich versuche nur dir zu zeigen, dass Sex nicht das Einzige ist, was ich an dir schätze.« Er schob sie aufs Bett und zog das Laken über sie. »Auch wenn ich gestehen muss, dass Sex keine geringe Rolle spielt.« Er legte sich neben sie und schlang seine Arme um sie. »Und jetzt entspann dich und schlaf.
Du bist in Sicherheit.«
Sicherheit. Sie atmete tief aus und versuchte, ihre Muskeln zu entspannen. Bis zu diesem Augenblick war ihr nicht bewusst gewesen, dass sie Angst hatte. Seit sie Archer in dem Wagen gesehen hatte, hatte sie die Angst verdrängt. »Gary ist tot, Kelby«, flüsterte sie. »Ich hab mit ihm geplaudert und im nächsten Moment war er tot. Ich hab noch nicht mal den Schuss gehört. Der Comisario meint, wahrscheinlich haben sie einen Schalldämpfer benutzt. Gary war dabei, mir zu erzählen, wie sehr er sich auf die Expedition freut, er hat von Phil gesprochen und dann ist er plötzlich umgefallen und –«
»Ich weiß.« Er streichelte ihren Rücken.
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