Bodenlose Tiefe
damit hat es auf keinen Fall etwas zu tun.«
»Da bin ich aber enttäuscht.« Er setzte ein gespielt gekränktes Gesicht auf. »Womit hat es dann zu tun?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht ist es so, dass alles, was Carolyn mir beigebracht hat, plötzlich Früchte trägt. Vielleicht liegt es daran, dass mir Sex in der Natur mittlerweile als etwas Selbstverständliches vertraut ist und ich begriffen habe, dass nicht der Akt selbst, sondern häufig die Absicht dahinter verdorben ist.« Sie legte den Kopf schief und schaute ihn an.
»Und vielleicht liegt es daran, dass du nicht der schlechteste Liebhaber der Welt bist.« Sie öffnete die Tür. »Bis später, Kelby.«
Er nickte und langte nach seinem Telefon. »Ich rufe Gary St.
George an. Er wird dich an der Gangway abholen. Ich würde dich begleiten, aber ich muss hier sein, wenn das Schallsichtgerät heute geliefert wird.«
»Wunderbar. Dann kann ich die Delphine ja morgen aus dem Becken lassen.«
»Oder übermorgen. Ich muss mich erst vergewissern, dass das Gerät gut funktioniert.« Er hob die Brauen. »Aber du weißt ja, wie langsam die Bürokratie arbeitet. Es kann also noch dauern, bis es eintrifft. Du könntest doch noch mal zu mir ins Bett kommen und dafür sorgen, dass ich mich nicht beim Warten langweile.«
Himmel, sie war tatsächlich in Versuchung.
Die Delphine.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte dich nicht überstrapazieren, Kelby. Aber du kannst dich später wieder nützlich machen.«
»Du siehst blendend aus, Melis«, sagte Gary, als sie die Gangway herunterkam. »Viel entspannter.«
Sie spürte, wie sie errötete. Wussten er und die anderen Crewmitglieder, wie es kam, dass sie so entspannt war? Sie hatte das seltsame Gefühl, dass alle Bescheid wussten, als könnte man den Abdruck von Kelbys Körper auf ihr sehen.
»Ich habe mir ziemliche Sorgen um dich gemacht, als ich dich in Athen zum Flughafen gebracht habe. So angespannt hatte ich dich noch nie erlebt.«
Sie zog voreilige Schlüsse. Gary hatte sie seit jenen schrecklichen Tagen in Athen nicht mehr gesehen. Klar, dass ihm der Unterschied auffiel. »Ich hab mich erholt. Und wie geht es dir, Gary?«
»Gut.« Er lächelte. »Eine tolle Mannschaft. Kelby hat Terry angeheuert und Charlie Collins, der erste Offizier, ist einfach Spitze. Karl Brecht kriegt die Zähne nicht auseinander, aber das ist mir ganz recht. Schweigsame Leute sind mir lieber als Quasselstrippen. Für Kelby zu arbeiten wird mir gefallen. Alle sagen, er ist ein Draufgänger, aber schwer in Ordnung.«
»Ich denke, das trifft zu.«
»Ich bin froh, dass du in Bezug auf die Suche nachgegeben hast.« Er schlenderte neben ihr her den Pier entlang. »Ich hab nie verstanden, warum du dich so gegen die Expedition gesträubt hast. Marinth zu finden war Phils großer Traum.«
»Ich habe ihm nie im Weg gestanden, ich habe mich nur geweigert, ihm zu helfen.«
»Das hat ihn fürchterlich gewurmt, vor allem in den letzten Monaten vor seinem Tod.«
»Ich lasse mir keine Schuldgefühle einreden, Gary. Was mich und die Delphine angeht, habe ich die richtige Entscheidung getroffen.«
»Ich wollte dir keine Vorwürfe machen, Melis. Du hast getan, was du tun musstest. Ich freue mich nur, dass du es dir anders überlegt hast. Für die Mannschaft wird ein fetter Bonus abfallen, wenn wir Marinth finden. Kelby ist sehr großzügig.«
»Mach dir keine zu großen Hoffnungen. Es gibt eine Menge Unwägbarkeiten.«
»Phil war davon überzeugt, dass du Marinth finden könntest, wenn du es nur versuchten würdest. Er hat die ganze Zeit davon geredet. Zum Schluss konnte er an nichts anderes mehr denken.«
»Ich weiß, Gary.« Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Phil hat versucht, Geld für eine Expedition aufzutreiben. Bist du mal dem Mann begegnet, mit dem er verhandelt hat?«
Gary schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass er jemanden an der Hand hatte. Er ist fünf- oder sechsmal an Land gegangen, um sich mit ihm zu treffen. Die ersten paar Male kam er völlig aufgekratzt zurück. Aber dann hab ich gemerkt, wie seine Begeisterung nachließ. Nach dem letzten Treffen hat er in höchster Eile die Anker gelichtet und wir sind sofort ausgelaufen.«
»Und dann hat er angefangen, seine Leute zu entlassen.«
Das musste der Tag gewesen sein, an dem Archer beschlossen hatte, sich mit Gewalt zu beschaffen, was er haben wollte.
Nachdem es ihm nicht gelungen war, sich mit Phil zu einigen, hatte er den einzigen Mann getötet, der über Marinth und
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