Bodenlose Tiefe
Rücksitz. Er war der Mann, der die Tür aufgerissen hat und mich in den Wagen zerren wollte.«
»Woher weißt du das? Wir haben noch kein Foto.«
»Cox.«
»Was?«
»Carolyn hat den Namen am Telefon gesagt. Ich glaube, sie hat versucht, mir zu sagen, wer Archer ist. Sie hat gern spätabends ferngesehen und war ein begeisterter Fan von klassischen Sitcoms. Ihre Lieblingssendungen, die nie wiederholt wurden, hat sie sogar auf Video aufgenommen.
Manchmal haben wir bis in die frühen Morgenstunden vor der Glotze gehockt, uns mit Popcorn voll gestopft und uns Nick at Nite angesehen.«
»Und?«
»Sie hatte ein Videoband von einer Show mit Wally Cox, die Mr Peepers hieß. Cox spielt darin so einen typischen schüchternen, hageren Milchbart. Archer sieht genauso aus wie Wally Cox.«
» Milchbart passt aber nicht zu dem Ruf, der Archer vorauseilt.«
»Aber vielleicht hat ja das Schwächlingsgesicht dazu beigetragen, dass er diese sadistische Ader entwickelt hat. Ich wette, wenn wir das Foto kriegen, sieht es aus wie ein Bild von Wally Cox.«
»Keine Wetten. Aber was du sagst, ergibt einen Sinn.« Er stand auf. »Wir warten nicht länger auf den Comisario. Du brauchst eine heiße Dusche und trockene Kleider. Er kann auf die Trina kommen, wenn er noch Fragen hat.«
Sie nickte. »Erst will ich noch nach Pete und Susie sehen. Der Comisario meinte, ihnen wär nichts passiert, aber ich will mich lieber mit eigenen Augen davon überzeugen.«
»Ich wusste, dass du dir Sorgen machen würdest, deswegen habe ich Terry und Karl zum Becken geschickt, dass sie auf die beiden aufpassen. Es wird ihnen nichts –«
Er unterbrach sich. »Zwecklos. Komm, gehen wir.«
Als Susie Melis erblickte, begann sie aufgeregt zu schnattern. Es war, als versuchte sie ihr zu erzählen, was vorgefallen war. Pete gab keinen Ton von sich, aber sein Schwanz zuckte nervös hin und her, während er durch das Becken schwamm.
»Siehst du, ich hab dir doch gesagt, es geht ihnen gut«, sagte Kelby. »Sie sind vielleicht ein bisschen aufgeregt, aber das war doch zu erwarten.«
»Ja, es geht ihnen gut«, erwiderte Melis leise. »Sehr gut sogar.«
»Haben sie Cal wirklich das Leben gerettet?«
»Daran besteht kein Zweifel. Er war bewusstlos, als die Sanitäter ihn aus dem Wasser gezogen haben. Das ist nichts Ungewöhnliches. Es gibt unzählige Berichte von Delphinen, die Schwimmer gerettet haben. Das habt ihr gut gemacht, Jungs«, rief sie den Tieren zu. »Ich bin sehr stolz auf euch.«
Plötzlich vollführte Pete einen solchen Sprung, dass das Wasser aus dem Becken spritzte.
»War das eine Antwort?«, wollte Kelby wissen.
»Gut möglich.« Sie nickte. »Ja, ich glaube, er ist ganz stolz auf sich.«
»Können wir dann jetzt auf die Trina gehen? Seit wir das Lagerhaus verlassen haben, hörst du nicht mehr auf zu zittern.«
Sie wollte nicht von den Delphinen weg. Die Gefahr war zu nahe gekommen. Gary war tot und Cal hätte auch tot sein können. Der Gedanke, dass jemand die Delphine töten könnte, war ihr unerträglich.
»Archer wird heute Abend nicht wiederkommen«, sagte Kelby. »Ich habe die Wachen am Becken verstärkt und im ganzen Hafen wimmelt es von Polizei. Er müsste völlig verrückt sein, noch mal herzukommen.«
»Er ist verrückt. Du hast doch selbst gesehen, was er mit Carolyn gemacht hat.« Sie hob abwehrend eine Hand, als er etwas sagen wollte. »Ich weiß, ich weiß. Das war etwas anderes.
Ich glaube auch nicht, dass er heute noch mal kommt.« Sie drehte sich um. »Gehen wir aufs Schiff.«
Als sie aus der Dusche trat, saß Kelby in ihrer Kabine.
»Fühlst du dich jetzt besser?«
»Wärmer. Sauberer. Aber nicht besser.« Sie setzte sich aufs Bett und trocknete sich die Haare mit einem Handtuch. »Mit so etwas hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte, es wäre mir gelungen, ihn zu täuschen. Ich dachte, er würde abwarten, bis ich aufgebe und ihm die Unterlagen aushändige.«
»Vielleicht hat er die Geduld verloren.«
»Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass er berechenbar ist. Vielleicht wäre Gary jetzt noch am Leben, wenn wir vorsichtiger gewesen wären.«
»Deine Carolyn würde sagen, dass du drauf und dran bist, dir Schuldgefühle zu machen. Das würde ihr bestimmt nicht gefallen.«
»Nein, das würde ihr nicht gefallen. Im Gegenteil.« Sie versuchte zu lächeln. »Du scheinst besser als ich zu wissen, wie Carolyn reagieren würde.«
»Ich lerne dich immer besser kennen. Und sie
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