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Bodenlose Tiefe

Bodenlose Tiefe

Titel: Bodenlose Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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alle möglichen Bücher über Seefahrer und Piraten zu lesen gegeben, wenn ich bei ihm auf der Yacht war. In einigen davon wurde Marinth erwähnt und er hat eine alte National Geographic für mich aufgetrieben, in der Hepsuts Grabstätte beschrieben wurde. Ich war völlig fasziniert.
    Wenn ich abends im Bett lag, hab ich mir oft vorgestellt, ich würde durch die versunkene Stadt schwimmen, und wo ich auch hinschaute, warteten Abenteuer und Wunder.«
    »Ein Kindertraum.«
    »Vielleicht. Trotzdem war es für mich ungemein wichtig. Bei dem ganzen Zirkus um mich herum hatte ich manchmal das dringende Bedürfnis, mich zurückzuziehen, und dann habe ich mich im Geiste nach Marinth versetzt. Es war eine Zuflucht für mich.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Für Phil nicht. Für Phil war es ein El Dorado.«
    »Vielleicht ist das das Verlockendste daran. Marinth erfüllt alle Bedürfnisse. Für jeden bedeutet es etwas anderes.« Er überlegte. »Aber du hast gesagt, anfangs wärst du auch von Marinth fasziniert gewesen.«
    »Die Suche nach Marinth hat aus Phil einen Fanatiker gemacht. Das hätte Pete und Susie um ein Haar das Leben gekostet.«
    »Aber das ist nicht alles, stimmt’s?«
    Sie schwieg einen Moment. »Nein. Die Schrifttafeln …«
    »Was ist damit?«

    »Das Marinth, das auf den Schrifttafeln beschrieben wird, ist genau so, wie ein Mann sich eine perfekte Welt wünschen würde. Eine Demokratie wie in Griechenland, die Freiheit der Berufsausübung und Religion. Was ziemlich außergewöhnlich war, wenn man bedenkt, dass es ein absolut hierarchisches System von Göttern und Göttinnen gab. Die Marinther unterstützten und förderten alle Formen der Kunst und missbilligten Krieg. Sie gingen freundlich mit ihren kleinen Brüdern, den Delphinen, um.«
    »Und was ist daran auszusetzen?«
    »Es war genau so, wie ein Mann sich eine perfekte Welt wünschen würde«, wiederholte sie. »Eine Gesellschaft, die Frauen als Zuchttiere und Spielzeuge betrachtete. Keine Ehe.
    Keine Gleichheit. Keine Freiheit für Frauen. Sie waren Sklavinnen oder Huren, je nach Attraktivität und körperlicher Kraft. Überall in Marinth gab es Freudenhäuser. Schöne, luxuriöse Häuser, ausgestattet mit seidenen Kissen und kostbaren, mit Juwelen verzierten Möbeln, wo die männlichen Bürger, die angeregt wurden, die schönen Künste zu pflegen, sich amüsieren konnten.« Sie schaute Kelby an. »Und wetten, dass es auch Holzvertäfelungen mit vergoldeten Schnitzereien gab?«
    »Marinth hat dich an das Kafas erinnert?«
    Sie nickte. »Nachdem ich die Transskripte gelesen hatte, hatte ich dauernd Alpträume. In meinem Kopf waren Marinth und das Kafas ein und dasselbe.«
    »Und das war einer der Gründe, warum du dich geweigert hast, Lontana zu helfen. Das kann ich verstehen. Aber du würdest nicht verlangen, dass das Erforschen der Renaissance verboten wird, bloß weil in der damaligen Politik Korruption vorherrschte.«
    »Vielleicht war es irrational. Vielleicht habt ihr beide Recht, wenn ihr behauptet, dass das Gute das Schlechte überwiegt.

    Trotzdem wollte ich einfach nichts damit zu tun haben.«
    Seine Kiefermuskeln spannten sich. »Bis ich dich dazu gezwungen habe.«
    »Bis Archer mich dazu gezwungen hat. Carolyn würde dir raten, dir nicht so schnell die Schuld für alles zuzuschreiben.
    Das ist ungesund.«
    »Gut, ich nehme mir den Rat zu Herzen.« Er lächelte und schaute wieder aufs Meer hinaus. »Und ich warte mit dir auf die Delphine. Sonnenaufgang?«
    »Ich hoffe es.«
    Sein Lächeln verschwand. »Ich auch.«

    Die Delphine kehrten nicht bei Sonnenaufgang zurück.
    Auch zwei Stunden später war immer noch keine Spur von ihnen zu sehen.
    »Wer weiß, wie weit sie schwimmen mussten, um ihre Gruppe zu finden«, meinte Kelby. »Vielleicht haben die Delphine sich innerhalb der letzten sechs Jahre ein neues Territorium gesucht.«
    »Oder die beiden wurden mit einer Willkommensparty begrüßt«, bemerkte Nicholas. »Nach so einer Sause komme ich jedenfalls auch nicht früh aus den Federn.«
    Melis wusste, dass alle ihr Bestes taten, um sie aufzumuntern.
    Auch wenn es nicht besonders funktionierte, rang sie sich doch ein Lächeln ab. »Ihr müsst euch nicht so anstrengen. Ich komme schon damit zurecht. Wir müssen einfach Geduld haben.«
    »Du kommst nicht damit zurecht. Du beißt nur tapfer die Zähne zusammen«, sagte Kelby. »Wir geben ihnen noch acht Stunden, dann fangen wir an, nach ihnen zu suchen.«
    »Morgen.«
    Er schüttelte den Kopf.

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